Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
sehr schlechter Kreditschuldner war.
Mittlerweile war es für die meisten Beobachter zunehmend klar, dass sich Großbritannien vom Gold lösen musste. Nach seiner Rückkehr aus Amerika warnte Maynard Keynes am 18. Juli den Premierminister in einem privaten Brief: »Nun ist völlig klar, dass wir uns bald von der aktuellen Parität verabschieden werden. … Wenn Zweifel über die Prosperität einer Währung aufkommen, so wie es jetzt bei Sterling der Fall ist, dann ist das Spiel vorbei.« In einer Reihe von Zeitschriftenartikeln argumentierte er, die deflationären Haushaltskürzungen würden die Situation nur noch schlimmer machen. In einem Treffen mit Parlamentariern beschrieb er sie als »die falschesten und dümmsten Dinge, die das Parlament in meiner Lebenszeit absichtsvoll durchgesetzt hat.« Obwohl er sich mit seiner öffentlichen Kritik an der Bank of England bewusst zurückhielt, weil er wusste, dass dies die Probleme der Währung nur verschlimmern würde, lud ihn Harry Siepmann am 10. August in die Bank ein, um ihn zu überreden, in seinen Schriften einen gemäßigteren Tonfall zu wählen. Tatsächlich verloren mittlerweile sogar Bankiers wie Siepmann das Vertrauen. Nach den Worten eines zu Besuch weilenden Vertreters der New Yorker Fed »gaben die Bankvertreter freimütig zu, dass der Ausweg für England und die meisten anderen europäischen Länder darin besteht, vorübergehend aus dem Goldstandard auszusteigen, Frankreich und die USA allein zu lassen und später auf einem niedrigeren Niveau wieder einzusteigen.«
Das britische Finanzministerium wurde zur letzten Bastion der Ewiggestrigen. Als ein Journalist bei einer dortigen Pressekonferenz nur die Frage stellte, ob Großbritannien bei einem Goldstandard bleiben könne oder solle, der nicht mehr funktionierte, das Land zu seiner Aufrechterhaltung zwang, enorme Kredite aufzunehmen und der Masse des Volkes unerträgliche Opfer abverlangte, stand Warren Fisher, Chef des öffentlichen Dienstes und Sekretär im Finanzministerium auf »mit flackernden Augen und vor Leidenschaft gerötetem Gesicht« und beschimpfte die Journalisten, als habe er sie beim »Austausch von Obszönitäten« ertappt. »Gentlemen, ich hoffe, dass niemand außerhalb dieses Zimmers solche Dinge wiederholen wird«, schimpfte er. »Ich bin sicher, dass jeder von ihnen, der das britische Volk kennt, mir darin zustimmen wird, dass ein solcher Vorschlag ein Affront gegen die nationale Ehre ist. Jeder Mann und jede Frau in diesem Land würde ihn als Angriff auf seine oder ihre persönliche Ehre empfinden. Das ist völlig undenkbar.« Derweil setzte sich die Flucht aus Sterling unvermindert fort.
Zu den ökonomischen Maßnahmen der neuen Regierung gehörten Gehaltskürzungen bei allen öffentlichen Bediensteten einschließlich des Militärs. In der Marine wurde der Sold in allen Rängen vom Admiral bis zum einfachen Matrosen um einen Shilling pro Tag reduziert. Das führte in den niedrigeren Rängen natürlich zu enormer Verbitterung wegen der ungerechten Verteilung der Belastung. Am 14. September weigerte sich eine Gruppe von Seeleuten der Atlantikflotte in Invergordon zum Appell anzutreten und in See zu stechen. Das war nur ein kleinerer Zwischenfall ohne große Bedeutung, aber in der ausländischen Presse wurde er als Meuterei dargestellt und das Bild heraufbeschworen, Großbritannien stehe am Rand der Revolution und die letzte Bastion des Empires, die königliche Marine, löse sich auf.
Die Bank of England verlor nun pro Tag 25 Millionen Dollar in Gold. Die Minister verrieten die Zahlen an die Hinterbänkler, die sie wiederum an die Spekulanten in der City weiterreichten. Am Donnerstag, dem 17. September, stiegen die Verluste auf über 80 Millionen Dollar, am folgenden Tag war es ähnlich. Seit dem Beginn der Krise hatte die Bank zusehen müssen, wie eine Milliarde Dollar verloren ging.
Am Samstag, dem 19. September, richtete die britische Regierung einen letzten verzweifelten Appell um Hilfe an die Hoover-Administration. Der emotionale Stimson, ein großer Freund Englands, rief den britischen Botschafter ins Weiße Haus und erklärte ihm, man habe alle Möglichkeit geprüft, wie man Großbritannien helfen könne, einschließlich weiterer Reduzierungen der Kriegsschulden, aber die USA seien hilflos. An diesem Wochenende, nach einem Treffen mit den Vertretern der Bank of England, beschloss der Premierminister, die Goldauszahlungen einzustellen.
Man schickte ein Telegramm an Norman,
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