Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
Vom Netzwerk:
der sich auf dem Atlantik an Bord der HMS Duchess of Bedford befand. Er war auf der Heimreise aus Kanada, würde aber erst in zwei Tagen ankommen. Er hatte sein Codebuch nicht mitgenommen, und daher musste man ihm die Nachricht auf einem ganz normalen Kanal übermitteln. Es gibt die wunderbare, aber nicht verbürgte Geschichte, dass der stellvertretende Gouverneur, um die Nachricht zu verschlüsseln schrieb: »Die alte Dame geht am Montag weg.« Von dieser rätselhaften Mitteilung verblüfft, nahm Norman an, sie beziehe sich auf die Urlaubspläne seiner Mutter und dachte nicht weiter darüber nach.
    Die wirkliche Geschichte ist fast ebenso gut. In Wirklichkeit lautete die Botschaft: »Es tut uns leid, aber wir müssen uns morgen verabschieden und können nicht auf Sie warten, bis wir es tun.« Norman nahm an, Harvey wolle am Tag seiner Rückkehr nach Großbritannien verreisen. Er entdeckte die Wahrheit erst, als er am Mittwoch, dem 23. September, in Liverpool ankam. Nach einem Treffen mit dem Premierminister fuhr er für ein verlängertes Wochenende aufs Land, um über den Schock hinwegzukommen. Wie es sein Freund Baldwin unsensibel formulierte: »Den Goldstandard zu verlassen war für ihn so, als sollte seine Tochter ihre Unschuld verlieren.« Aber trotz seines Zorns ist schwer ersichtlich, was er anders hätte machen können oder gemacht hätte, wäre er anwesend gewesen.
    Die Öffentlichkeit reagierte zunächst mit Beunruhigung und Staunen. Nur wenige Menschen verstanden, was die Maßnahme bedeutete. Die meisten Zeitungen beklagten sie als das Ende eines Zeitalters. Nur der Daily Express , das Organ des hellsichtigen Finanzabenteurers Lord Beaverbrook nannte sie einen Sieg des gesunden Menschenverstands. »Seit Jahren ist nichts Herzerfrischenderes passiert … wir sind den Goldstandard los, sind ihn endlich los, und das Ende des Goldstandards ist der Beginn einer wirklichen wirtschaftlichen Erholung«, frohlockte er.
    Am 20. September erschien im Sunday Chronicle ein Porträt Montagu Normans, geschrieben von Winston Churchill, als Teil einer geplanten Serie über zeitgenössische Persönlichkeiten. Seit seinem Abschied aus dem Amt im Juni 1929 hatte sich Churchill mit seinen konservativen Kollegen über die staatliche Selbstständigkeit Indiens gestritten. Nun war er isoliert, allgemein unbeliebt und fühlte sich frei, ganz offen seine Enttäuschung über die orthodoxe Interpretation des Goldstandards zu äußern. Das Problem sei nicht so sehr der Goldstandard selbst, argumentierte er, sondern die Art und Weise, wie man ihn hatte funktionieren lassen. Das Horten von Gold in den Vereinigten Staaten und Frankreich sowie der daraus folgende Goldmangel im Rest der Welt hatte die Depression verursacht. Er klang nun schon fast wie Keynes – in einer Rede vor dem Parlament in der Woche zuvor hatte er beschrieben, wie Gold »aus einem Loch in Afrika gegraben und dann in einem noch unzugänglicheren Loch in Europa oder Amerika wieder versenkt wird.«
    An diesem Wochenende war Charlie Chaplin, der Star des Films Goldrausch , zu Gast in Chartwell, Churchills Landhaus in Kent. Sie hatten sich in Hollywood kennengelernt, als Churchill im Oktober 1929 – zum Zeitpunkt des Crashs – die USA besuchte. Beim Dinner eröffnete Chaplin die Konversation mit dem Satz: »Sie haben einen schweren Fehler begangen, als sie 1925 zum falschen Tauschkurs wieder zum Goldstandard zurückgekehrt sind.« Churchill war ein wenig verblüfft. Als der Filmstar dann mit großem Hintergrundwissen sehr ausführlich über dieses Thema sprach, versank Churchill, der es hasste, an seine früheren Fehler erinnert zu werden, in ein griesgrämiges Schweigen. Seine Laune verbesserte sich erst, als der Komödiant sich zwei Brötchen schnappte, zwei Gabeln hineinsteckte und den berühmten Brötchentanz aus dem Film vorführte.
    Durch eine seltsame Fügung des Schicksals traf sich Churchill am Montag, dem 21. September, dem ersten Tag nach dem Ende des Goldstandards, zum Mittagessen mit Maynard Keynes, den er nun als Verbündeten und Freund betrachtete. Churchill verbrachte den größten Teil der Zeit mit der Beteuerung, er sei nie dafür gewesen, 1925 zum Goldstandard zurückzukehren, Norman und der Rest der City hätten sich allerdings über ihn hinweggesetzt. Für Keynes war es ein Tag des Feierns, kein Tag des Bedauerns. Er konnte seine Freude kaum verbergen, »gluckste wie ein Junge, der gerade eine Feuerwerksrakete unter jemandem gezündet hat, den er

Weitere Kostenlose Bücher