Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
dachte er – und das mit Recht.
Am Freitag, dem 3. März, verlor die New Yorker Fed insgesamt 350 Millionen Dollar. 200 Millionen waren telegrafische Transfers aus dem Land heraus, 150 Millionen waren tatsächliche, physische Abzüge von Geld aus Banken in der Region von New York. Die New Yorker Fed hatte nun 250 Millionen Dollar zu wenig Reserven und versuchte, sich Geld von der Fed in Chicago zu leihen, die sich allerdings weigerte. Die Gefahr, dass das System der Federal Reserve zerfallen konnte, wurde nun sehr real.
Der 3. März war Hoovers letzter voller Tag im Amt. Am Nachmittag statteten Roosevelt und einige Mitglieder seiner Familie – seine Frau Eleanor, sein Sohn James und seine Schwiegertochter Betsy – Hoover einen Höflichkeitsbesuch ab. Nach dem üblichem Small Talk beim Tee bat Hoover darum, Roosevelt allein sprechen zu können. Sie zogen sich in Hoovers Arbeitszimmer zurück, wo sich ihnen Meyer, Finanzminister Mills und Roosevelts Berater Raymond Moley anschlossen. Meyer und Mills versuchten erneut, den neuen Präsidenten davon zu überzeugen, sich der scheidenden republikanischen Administration in einer von beiden Parteien getragenen Aktion anzuschließen. Roosevelt blieb hartnäckig. Der scheidende Präsident solle tun, was er tun musste. Er selbst aber würde bis zu seiner Amtseinführung am Mittag des folgenden Tages gar nichts tun. Eleanor konnte durch die geöffneten Türen einige Bruchstücke der Konversation hören. Einmal fragte Hoover: »Werden Sie mit mir heute Nacht eine gemeinsame Proklamation zur Schließung sämtlicher Banken unterzeichnen?« Roosevelt antwortete: »Den Teufel werde ich tun! Wenn Sie nicht den Mut haben, es selbst zu tun, dann werde ich warten, bis ich Präsident bin, um es zu tun!« Roosevelts Strategie war völlig klar: Er hielt sich in der Hoffnung zurück, die Lage werde sich vor seiner Amtsübernahme so sehr verschlechtern, dass er sämtliche Verdienste um eine folgende Erholung für sich verbuchen konnte.
An diesem Abend hörte das Telefon in Roosevelts Suite nicht auf zu klingeln. Einer der Anrufer war Thomas Lamont, der mit 16 der mächtigsten Bankiers in der City eine Besprechung in der New Yorker Fed abhielt. Lamont war ein alter Freund Roosevelts, und er hatte ihm schon zwei Wochen zuvor einen Brief geschrieben, in dem er ihn davor warnte, die Banken zu schließen. »Die Menschen in der Stadt können ohne Geld nicht existieren … Das wäre so, als unterbricht man die Wasserversorgung der Stadt. Die Folge wären Pestilenz und Hungersnot …« Nun wiederholte Lamont diese Sicht der Dinge und sagte Roosevelt, er sei sicher, eine veränderte psychologische Stimmung nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten werde das Vertrauen wieder herstellen.
Die Fed unternahm einen letzten Versuch, die Lücke zwischen Hoover und Roosevelt zu überbrücken, indem Meyer Hoover und Miller Roosevelt anriefen. Auch Hoover und Roosevelt telefonierten mehrmals miteinander; um 20.30 Uhr, um 23.30 Uhr und um 1.00 Uhr morgens. Aber keiner wich von seinem Standpunkt ab. Schließlich schlug Roosevelt vor, beide sollten nachgeben und ein wenig schlafen.
Meyer unternahm einen letzten Versuch – obwohl er vom Weißen Haus während der vergangenen beiden Tage mehrmals abgewiesen worden war und wusste, dass sein Vorstoß vergeblich war. Vielleicht wollte er sich selbst und die Fed vor der Verurteilung durch die Geschichte schützen. Um 21.15 Uhr am 3. März versammelte er seine Verwaltungsratskollegen im Board zum dritten Mal an diesem Tag. Charles Hamlin wurde aus den Vorbereitungen zur Amtseinführung des neuen Präsidenten gerissen, und trotz des schlechten Wetters – es hatte Eisregen gegeben – wurde George
James aus dem Krankenbett geholt. Das Board entwarf einen formalen schriftlichen Antrag an den Präsidenten, im ganzen Land die Banken zu schließen. Der Brief wurde erst um 2.00 Uhr morgens an das Weiße Haus übermittelt. Der Präsident hatte sich schon zu Bett begeben. Niemand wollte ihn wecken, und der Brief wurde unter der Tür zum Schlafzimmer durchgeschoben. Am nächsten Morgen war Roosevelt wütend über diesen Trick seines ehemaligen Freundes Meyer, ihm die Verantwortung zuzuschieben.
Nachdem es beim Präsidenten gescheitert war, wandte sich das Federal Reserve Board mit dem Anliegen, die Banken zu schließen, nun an die Gouverneure der beiden wichtigsten Bundesstaaten. Gouverneur Horner aus Illinois war zunächst nicht aufzufinden. Als man ihn
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