Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
die er einzig und allein auf Roosevelts inflationsfördernde politische Maßnahmen zurückführte. Am 17. Februar verfasste er einen 10-seitigen handgeschriebenen Brief, den er Roosevelt durch einen Boten des Geheimdiensts zustellen ließ. Zur Wiederherstellung des Vertrauens, so schrieb er, sei eine formale Stellungnahme des neu gewählten Präsidenten erforderlich, in der er sich dazu verpflichten sollte, den Haushalt auszugleichen und Inflation oder Abwertung zu vermeiden. Sollte Hoover beabsichtigt haben, Roosevelts Unterstützung für eine von zwei Parteien getragene Initiative zu gewinnen, dann war dies ein plumper, ungeeigneter und offensichtlich selbstsüchtiger Versuch. Hoover selbst räumte in einem privaten Brief ein, Roosevelt hätte dabei 90 Prozent seines »sogenannten New-Deal-Programms« aufgeben müssen. Der neue Präsident tat den Brief als »anmaßend« ab und entschied sich dafür, die Situation einfach für einige Wochen auszusitzen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Panik nur die kleinsten Banken im Land erfasst. Aber als der Ansturm internationale Dimensionen annahm, wurde die New Yorker Fed als wichtigste Finanzinstitution des Landes und Bankier der größten amerikanischen Banken zum Zentrum des Ansturms. In den letzten beiden Februarwochen verlor sie 250 Millionen Dollar, fast ein Viertel ihrer Goldreserven. Obwohl das Federal-Reserve-System insgesamt über reichliche Goldreserven verfügte, hätte es zu einer katastrophalen Situation für das Bankensystem nicht nur in New York, sondern im ganzen Land geführt; wäre der New Yorker Fed das Gold ausgegangen, hätte sie ihre Kredite an andere Banken kündigen und ihre Bilanz eilig einkürzen müssen. Theoretisch hätte sie natürlich jederzeit Kredite bei anderen Banken im System der Federal Reserve aufnehmen können, aber da sämtliche Banken in sämtlichen Regionen unter Druck standen, gab es keine Garantie, dass ihre Schwesternbanken kooperiert hätten. Es gab begründete Befürchtungen, dass sogar das Federal-Reserve-System zerbrechen könnte, falls es zu einem Kampf von jedem gegen jeden kommen sollte.
Schon Mitte Februar war George Harrison zu der Überzeugung gelangt, eine vorübergehende landesweite Schließung aller Banken sei die einzig sinnvolle Maßnahme gegen die sich ausbreitende Panik, die entstanden war, weil in einem Bundesstaat nach dem anderen die Banken pleitegingen. Bei einem Besuch im Weißen Haus drängte er den Präsidenten dazu, sämtliche Banken zu schließen. Hoover versuchte die Initiative auf die Fed zu übertragen und verlangte, das Board solle Vorschläge erarbeiten, wie man das Bankensystem retten könne, ohne es vollständig schließen zu müssen. Meyer war zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt wie Harrison. Sollte die Fed ungeeignete Maßnahmen ergreifen und damit scheitern, so befürchtete er, dann würde dies die Situation nur verschlimmern, und man würde die Schuld daran der Fed zuweisen. Daher spielte Meyer den Ball an Hoover zurück.
Am Nachmittag des 2. März, zwei Tage vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten, rief Harrison Meyer an und informierte ihn darüber, dass die New Yorker Fed das Minimum ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Goldreserven unterschritten hatte.
In den folgenden 48 Stunden, als sich das Bankensystem des Landes von Stunde zu Stunde immer mehr auflöste, versuchte die Fed, jemand anderen zu finden, auf den man die Verantwortung für diese Situation schieben konnte, weil sie selbst nicht dazu bereit war, auf eigene Verantwortung zu handeln. Es gab allerdings das Problem des Übergangs von der alten zur neuen Administration. Am selben Donnerstagnachmittag rief Harrison den Präsidenten an und bat ihn noch einmal nachdrücklich darum, die Banken im ganzen Land vorübergehend zu schließen. Hoover antwortete, er wolle nicht, dass »seine letzte Amtshandlung die Schließung der Banken« sei. Adolph Miller, Hoovers alter Freund und Nachbar, begab sich ebenfalls ins Weiße Haus, um den Präsidenten zu überzeugen. Hoover aber sagte, ohne das Einverständnis Roosevelts werde er nichts unternehmen.
An diesem Tag reiste Roosevelt nach Washington, und er hatte kaum seine Suite im Mayflower Hotel betreten, als das Telefon klingelte. Meyer war am Apparat, und er bedrängte Roosevelt, eine Proklamation zu unterstützen, sämtliche Banken zu schließen. Roosevelt weigerte sich, vor seinem Amtsantritt irgendetwas zu unternehmen. Warum sollte er sich in diesem Stadium in die Klemme begeben,
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