Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Rohstoffpreisen. Natürlich konnte man sich über einige Details der These streiten; die Korrelation war nicht perfekt, weil auch einige andere Faktoren eine Rolle spielten, nicht zuletzt Kriege. Aber es war doch schwer, der allgemeinen Schlussfolgerung zu widersprechen. Schließlich nahm man an, dass es unter dem Goldstandard eine direkte Verbindung zwischen Bankkrediten und Goldreserven geben sollte – wenn es also reichlich Gold gab, dann gab es auch reichlich Kredite, was wiederum zu steigenden Preisen führte.
Es waren allerdings Warrens politische Schlussfolgerungen, die zu den stärksten Kontroversen führten. Wenn die Rohstoffpreise wegen eines Mangels an Gold sanken, so argumentierte er, dann bestand eine Möglichkeit der Preiserhöhung darin, den Goldpreis zu steigern oder, mit anderen Worten, den Dollar abzuwerten. Ein Anstieg des Goldpreises um 50 Prozent hatte keine anderen Auswirkungen, als hätte man plötzlich 50 Prozent mehr von diesem Metall entdeckt. Beides führte zu einem höheren Wert des Goldes innerhalb des Kreditsystems und beides würde daher höhere Rohstoffpreise verursachen.
Das klang simpel, aber für die meisten Wirtschaftsberater Roosevelts war das Sprechen über Abwertung reine Blasphemie und führte zur erbittertsten Ablehnung. Wodurch unterschied sich dies von der Praxis bankrotter Monarchen im Mittelalter, den Metallgehalt ihrer Münzen herabzusetzen? Angesichts ihrer riesigen Goldreserven hatten die USA kaum Grund, auf diese Art der Währungsmanipulation zurückzugreifen, die eher das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der amerikanischen Regierung bedrohen oder sogar gefährden würde, als eine wirtschaftliche Erholung zu fördern.
Während der ersten Wochen der neuen Administration nach der Proklamation über die Einstellung von Goldexporten an Roosevelts erstem Tag im Amt blieb die Währungssituation im Schwebezustand. Minister Woodin versuchte jedem zu versichern, die USA hätten den Goldstandard nicht verlassen, aber der Präsident selbst äußerte sich nicht so eindeutig. Bei seiner ersten Pressekonferenz am 8. März scherzte er mit den Reportern: »Es ist gut, wenn mich niemand fragt, ob wir den Goldstandard oder die Goldbasis verlassen haben, weil niemand weiß, was der Goldstandard oder die Goldbasis wirklich ist.«
Am Abend des 18. April versammelte er seine Wirtschaftsberater im Roten Zimmer des Weißen Hauses, um die vorbereitenden Maßnahmen für die bevorstehende Weltwirtschaftskonferenz in London zu besprechen. Mit einem Kichern drehte er sich wie zufällig zu seinen Helfern um und sagte: »Gratulieren Sie mir. Wir haben den Goldstandard verlassen.« Er hatte einen Zusatz zum Agricultural Adjustment Act genutzt, der den Präsidenten ermächtigte, den Dollar gegen Gold um bis zu 50 Prozent abzuwerten und Banknoten im Wert von drei Milliarden Dollar ohne Golddeckung in Umlauf zu bringen.
»In diesem Moment brach im Zimmer die Hölle los«, erinnerte sich Raymond Moley. Herbert Feis, der Wirtschaftsberater im Außenministerium, sah aus, als müsse er sich jeden Moment übergeben. Warburg und Douglas waren so entsetzt, dass sie mit dem Präsidenten zu streiten begannen und ihn ausschimpften, als sei er »ein eigensinniger und besonders zurückgebliebener Schuljunge.« Warburg erklärte, das neue Gesetz sei »vollkommen hirnverbrannt und verantwortungslos«, es werde zu »unkontrollierter Inflation und zu einem völligen Chaos« führen. Roosevelt aber war so unerschütterlich wie immer und machte seine gutmütigen Scherze mit ihnen. Er bestand darauf, der Abschied vom Gold sei die beste Möglichkeit, die Preise anzuheben, und wenn sie nichts gegen die Inflation unternähmen, werde der Kongress die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen.
Die Diskussion setzte sich bis Mitternacht fort. Als sie das Weiße Haus verließen, konnten einige Berater des Präsidenten – Warburg, Douglas, Moley und William Bullitt, Spezialassistent des Außenministers – nicht schlafen und setzten die Diskussion in Moleys Hotelzimmer fort, weil man ihnen gerade etwas präsentiert hatte, was sie für den schicksalhaftesten politischen Schritt seit dem Krieg hielten. Sie redeten noch die halbe Nacht, analysierten die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des ganzen Programms des New Deal, den Wert des Dollars, die Kapitalströme und die Beziehungen zu anderen Ländern. Schließlich verkündete Douglas: »Nun, das ist das Ende der westlichen Zivilisation.«
Roosevelts Entscheidung, den
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