Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
drei Jahren Gefängnis, fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Rechte und – eine Besonderheit des französischen Strafrechts – zu interdiction de séjour , also zur Verbannung aus Paris; eine etwas altertümliche Strafe, die in der Regel gegen Drogensüchtige, Sklavenhändler und Schläger ausgesprochen wurde. Als er das bizarre, fast schon komische Verhalten seines alten Führers beobachtete, muss Moreau manchmal gedacht haben, dass er bei der Auswahl seiner Mentoren unter einer Art von Fluch stand. Obwohl die Banque d’Algérie aufgefordert wurde, einen bescheidenen Beitrag zur Kriegsfinanzierung zu leisten – sie steuerte etwa 200 Millionen Dollar Kredite an die Regierung bei – war dies doch wenig im Vergleich zur größeren und prestigereicheren Banque de France, die vier Milliarden Dollar bereitstellte. 1919 hatte sich Moreau fast schon damit abgefunden, die Zeit bis zu seinem Ruhestand auf dem Abstellgleis bei der Banque d’Algérie verbringen zu müssen.
Gehorsam und Unterordnung
Deutschlands Strategie für die Bezahlung des Militäreinsatzes wurde von der absoluten Überzeugung der Männer im Umfeld des Kaisers dominiert, der Krieg werde kurz sein, das Reich werde siegen und den Besiegten danach die Rechnung präsentieren. Die deutsche Regierung bezahlte kaum zehn Prozent der Kriegskosten in Höhe von 47 Milliarden Dollar aus Steuermitteln. Da Deutschland weder Großbritanniens hoch entwickelten Finanzmarkt noch wie Frankreich eine große Reservearmee von Sparern aus der Mittelschicht noch einen reichen Verbündeten hatte, der bereit war, ihm riesige Geldsummen zu leihen, musste es Zuflucht zu einer ungewöhnlich inflationären Finanzpolitik nehmen. Während sich der Geldumlauf im Krieg in Großbritannien verdoppelte und in Frankreich verdreifachte, stieg er in Deutschland um das Vierfache.
Die Architekten dieser desaströsen Politik waren paradoxerweise zwei der kompetentesten Finanzbeamten in ganz Europa: Karl Helfferich, Sekretär des Reichsschatzamts, was im kaiserlichen Deutschland dem Amt des Finanzministers entsprach, und Rudolph von Havenstein, der aristokratische Chef der Reichsbank. Helfferich, der berühmteste Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands, war ein Professor, der vor dem Krieg eines der besten Bücher über Geldökonomie geschrieben hatte. Das Geld hatte es auf sechs Auflagen gebracht und war in zahlreiche Sprachen übersetzt worden, darunter Japanisch.
Von Havenstein, studierter Jurist, hatte nicht den gleichen Hintergrund, genoss aber allgemeines Ansehen als einer der sorgfältigsten, aufrechtesten und loyalsten Beamten im ganzen Reich. Mit seinen durchdringenden Augen, den langen, üppigen und gut gewichsten Schurrbartspitzen und dem Spitzbart sah er aus wie der Impresario eines viktorianischen Musiktheaters. Wie seine beiden Vorgänger als Präsidenten der Reichsbank war er ein typisches Produkt der höheren Kreise im kaiserlichen Beamtentum. 1857 als Sohn einer adeligen Gutsbesitzerfamilie in Brandenburg geboren, studierte er Jura und wurde Landrichter. 1890 trat er ins preußische Finanzministerium ein und wurde 1908 zum Präsidenten der Reichsbank ernannt.
Der Dienst für den Kaiser war die Grundlage des wilhelminischen Deutschlands, und beide Männer waren durch ihre Loyalität zum Kaiser geblendet. In Hellferichs Fall war dies desto einfacher, weil er ein extrem weit rechts stehender Nationalist war, der fest an das glorreiche Schicksal der Deutschen und die historische Mission ihres Oberhaupts glaubte.
Von Havenstein war ein Beamter der alten Schule und glaubte fest an die alles überragende Tugend der Pflicht. Ein Bankier schrieb: »Gehorsam und Unterordnung waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen.« Offiziell gehörte die Reichsbank zwar privaten Aktionären, aber von Havenstein und alle seine Spitzenbeamten waren einem Verwaltungsrat rechenschaftspflichtig, der sich aus Politikern zusammensetzte: aus dem kaiserlichen Kanzler und den vier Mitgliedern, die die deutschen Bundesstaaten repräsentierten. Diese Struktur war von Fürst von Bismarck eingeführt worden, dem Gründer der Reichsbank, der vor allem von Macht etwas verstand. Abgesehen vom Erwerb eines enormen persönlichen Vermögens zeigte Bismarck nur wenig Interesse an Ökonomie. Aber als die Reichsbank 1871 gegründet wurde, warnte ihn sein eigener Privatbankier und Vertrauter Gershon Bleichröder, es werde die Situation eintreten, in der politische Erwägungen wichtiger seien als rein ökonomische
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