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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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lassen.
    Als die deutsche Gesellschaft zu Fall gebracht wurde, warf man auch die traditionellen Werte über Bord, die sie zu einer so geordneten und konservativen Gemeinschaft gemacht hatten. Der Schriftsteller Stefan Zweig versuchte den Geist der Zeit in seiner Autobiografie zu erfassen. »Welch eine wilde, anarchische, unwahrscheinliche Zeit, jene Jahre, da mit dem schwindenden Wert des Geldes alle andern Werte in Österreich und Deutschland ins Rutschen kamen! Eine Epoche begeisterter Ekstase und wüster Schwindelei, eine einmalige Mischung von Ungeduld und Fanatismus. Alles, was extravagant und unkontrollierbar war, erlebte goldene Zeiten.«
    Die Hauptverantwortung für die rücksichtslose Inflationspolitik trug kein anderer als Rudolf von Havenstein, der nüchterne und arbeitsame Präsident der Reichsbank, der Deutschlands Finanzen während des Kriegs auf so desaströse Weise gelenkt hatte. Als der Krieg mit einer Katastrophe endete, erwartete von Havenstein nichts anderes als den Verlust seiner Position. Als preußischer Beamter, der eng mit der kaiserlichen Verwaltung in Verbindung gebracht wurde, verbarg er seinen Mangel an Sympathie für die von den Sozialdemokraten geführte neue Regierung nicht. Dennoch sprang er während der Revolution 1918 über seinen Schatten und kooperierte mit ihr, ließ es sogar zu, dass innerhalb der Reichsbank einer der neuen Arbeiter- und Soldatenräte gebildet wurde. In diesen von Gewalt und Unruhen geprägten Tagen nutzte er auch eine Abteilung revolutionärer Matrosen zur Bewachung der Goldreserven der Reichsbank. So wollte er die Botschaft übermitteln, dass es »das Volk« war, das den Schatz der Nation kontrollierte, obwohl es das Gerücht gab, er habe die Tresore mit Giftgasfallen ausstatten lassen, falls die Loyalität der Matrosen nachlassen sollte.
    Nachdem er es geschafft hatte, seine Stellung zu behalten, befand sich von Havenstein im klassischen Dilemma eines pflichtbewussten Beamten. Er arbeitete nun für eine Regierung, die er wenig schätzte; sie verfolgte eine soziale Agenda, an die er nicht glaubte und von der er dachte, Deutschland könne sie sich nicht leisten. Am schlimmsten aber war, dass die Regierung beschlossen hatte, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Forderungen der Alliierten erfüllen zu können – die sogenannte »Erfüllungspolitik«. Von Havenstein gab dem Verlangen der Regierung nach und ließ es zu, dass die Reichsbank Geld druckte, um die Haushaltslücke auszufüllen.
    Warum gab von Havenstein offenbar ohne jeden Versuch des Widerstands nach? Es gibt zwei sehr widersprüchliche Beschreibungen seiner Motive: Er habe absichtlich die monetäre Explosion entworfen, um die Finanzstruktur Deutschlands zu zerstören; eine kollektive Selbstaufopferung, um den Alliierten zu beweisen, dass die Reparationen nicht einzutreiben waren. Oder aber die Theorie, sein Verhalten zeige nichts anderes als reine ökonomische Ignoranz. Als studierter Jurist hatte er das Bankgeschäft in der Ära des Goldstandards erlernt, als die Regeln der Geldpolitik vom Bedürfnis diktiert wurden, dass die Reichsmark in einem bestimmten Verhältnis gegen Gold eintauschbar sein musste – und möglicherweise war er in einer nicht an Gold gekoppelten Welt völlig überfordert und hilflos.
    Die Wahrheit scheint komplizierter zu sein als jede der beiden Erklärungen. Von Havenstein stand vor einem sehr realen Dilemma. Wenn er sich weigerte, das zur Finanzierung des Defizits nötige Geld zu drucken, riskierte er einen scharfen Zinsanstieg, weil sich die Regierung bemühte, sich aus jeder erdenklichen Quelle Geld zu leihen. Die darauf folgende Massenarbeitslosigkeit, so glaubte er, würde zu einer wirtschaftlichen und politischen Krise führen, die angesichts des aktuell fragilen Zustands des Landes wirkliche politische Umwälzungen auslösen könnte. Für den prominenten Hamburger Bankier Max Warburg, Mitglied des Aufsichtsrats der Reichsbank, lag das Dilemma darin, »ob man die Inflation stoppen und die Revolution auslösen« oder weiterhin Geld drucken wollte. Als loyaler Staatsdiener hatte von Havenstein nicht den Wunsch, die letzten Spuren der alten Ordnung zu zerstören.
    Wenn er sich der Regierung verweigerte, dann würde er sie dazu zwingen, die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben im Inland zu begrenzen. Dann würde er – vor allem von seinen nationalistischen Freunden aus der politischen Rechten – beschuldigt, ein Handlanger der blutsaugerischen Alliierten zu sein,

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