Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
oder seiner Persönlichkeit überzeugt. Er hasste Streitgespräche und direkte Konfrontation; so fand er Methoden, seinen Gegnern auszuweichen, womit er sich den Ruf eines Tricksers erwarb. Manche Leute vermuteten misstrauisch, dass Normans Versuche, sich mit einer geheimnisvollen Aura zu umgeben, einfach eine subtilere und verfeinerte Form des publikumswirksamen Auftretens waren. Lord Vansitartt, Chef des britischen diplomatischen Dienstes zwischen den Kriegen, bezeichnete ihn verächtlich als »Angeber«.
Und obwohl sich Normans Bild in der Öffentlichkeit dramatisch verändert hatte, schleppte er noch immer viele der privaten Dämonen mit sich herum, die ihm vor dem Krieg das Leben schwer gemacht hatten. Er war von Natur aus Pessimist und neigte zu Anfällen von Verzweiflung. Das waren ungünstige Eigenschaften für einen Bankier, der die Aufgabe vor sich hatte, eine gelähmte Wirtschaft wieder gesund zu machen. In seinem schwierigen ersten Jahr im Amt, als er mit einem schwachen Pfund und dem Tiefpunkt der wirtschaftlichen Depression zu kämpfen hatte, schrieb er über sein »Gefühl, als würde ich in einem Meer herumgestoßen, in dem ich kaum schwimmen kann.«
Francis Williams, damals Londoner Herausgeber des linksgerichteten Daily Herald , schrieb, dass Norman, obwohl er eine seltsame Faszination auf die City ausüben konnte, »geheimnistuerisch, egoistisch, misstrauisch gegen intellektuelle Fähigkeiten und fast unfähig zu normalen menschlichen Beziehungen« sei. Lord Cunliffe charakterisierte ihn vielleicht am treffendsten, als er meinte, er halte Norman für »eine brillante neurotische Persönlichkeit, [die] sicherlich Probleme verursachen kann.« Er fügte hinzu: »Er ist keine gewöhnliche Persönlichkeit. … Er braucht die Macht einfach, um zu überleben und er wird sie nicht abgeben, bis es zu spät ist.«
In den frühen 1920er-Jahren sprach Norman oft darüber, eine Liga von Zentralbankiers zu schaffen, die die Verantwortung für die Stabilisierung der europäischen Finanzen und die Förderung der weltweiten wirtschaftlichen Erholung übernehmen sollte. Keine Regierung schien dazu in der Lage zu sein, und er dachte – ein wenig übertrieben – dass seine Gilde irgendwie das von den Politikern hinterlassene Vakuum füllen könne. Er betrachtete sich und die anderen Mitglieder seiner kleinen Gesellschaft gern als Elite, als Volkstribune, die über politischen Auseinandersetzungen, nationalen Abneigungen und amateurhaften Quacksalbern standen. Obwohl es Norman »genoss, unkonventionell zu erscheinen«, waren seine Ansichten über die Gesellschaft größtenteils »die eines alten Eton-Schülers«. Er war immer noch Edwardianer und hielt an seinem Glauben an eine aristokratische Regierung fest.
Im März schrieb er in seiner typischen unvollständigen Art an Strong: »Erst vor Kurzem haben die Länder der Welt mit den Aufräumungsarbeiten nach dem Krieg begonnen, zwei Jahre sind damit verschwendet worden, Luftschlösser zu bauen und sie wieder einzureißen. Es scheint so, dass man in Demokratien so vorgeht, obwohl ›einige Aristokraten‹ in allen Ländern von Anfang an erkannt haben, was zwangsläufig das Resultat so hastig konzipierter Heilmittel für Schwerkranke sein muss.« Offenbar dachte er, diese »Aristokraten« seien Bankiers wie er selbst gewesen.
An diesem Punkt war es allerdings er selbst, der Luftschlösser baute. Seine Ansicht, die Zentralbankiers der Welt seien dem nationalistischen Druck, auf den auch die Politiker reagierten, weniger stark ausgesetzt, war auf kuriose Weise naiv. Seine Vision von einer Liga der Herren über die Finanzen der Welt war zu diesem Zeitpunkt größtenteils ein Tagtraum. Nicht einmal Strong mochte ihn dabei vollständig unterstützen. Nach der Wirtschaftskonferenz in Genua 1922 schlug er ein großes Konklave der Zentralbankiers vor. Aber Strong war gegen diese Idee, weil er fürchtete, dass die USA als größter Gläubiger der Welt in den Hinterhalt der europäischen Schuldner geraten könnten, die alle nach Amerika mit seinen riesigen Goldreserven rufen würden, um ihre Wirtschaft wiederzubeleben. Er schrieb an Norman: »In der gegenwärtigen Situation der Welt steckt alles, was einer Liga oder einer Allianz ähnelt, notwendigerweise voller Gefahren.« Er meinte, dies wäre so »als würde man einigen der verarmten Länder auf der Welt einen Blankoscheck ausstellen, oder ihren Notenbanken, und besonders denjenigen, deren Finanzen völlig in Unordnung
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