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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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und außer Kontrolle geraten sind.«
    1923 bestand Normans Club eigentlich nur aus ihm selbst und Strong, die einander wegen ihrer gesundheitlichen Probleme und der wirtschaftlichen Anarchie bemitleideten, die sie zu umgeben schien. Ihre Freundschaft war allerdings noch intensiver geworden. Nach Normans drei Reisen in die USA 1921 und 1922 sahen sie einander fast 13 Monate lang nicht wieder. Weil er erneut krank wurde, musste Strong fast das gesamte Jahr 1923 eine Auszeit nehmen. Danach vereinbarten sie, sich mindestens zwei Mal jährlich zu treffen, abwechselnd zwischen Europa im Sommer und New York im Winter. Sie schrieben einander alle paar Wochen – eine Kombination aus Geplauder über Finanzen und Ansichten über Wirtschaftspolitik. Obwohl sie einander sehr nahestanden, sprachen sie sich in der Regel im seltsam formalen Stil der damaligen Zeit als »Lieber Strong« oder »Lieber Norman« an. Manchmal allerdings auch weniger formal als »Lieber Strongy«, »Lieber alter Mann« oder »Lieber alter [sic] Monty«. Sie versorgten einander mit Ratschlägen, wobei sie oft vertrauliche Details enthüllten, mit denen nicht einmal ihre eigenen Kollegen vertraut waren. Manchmal schimpften sie einander auch aus. Als Norman zu sehr auf eigene Faust operierte und seine eigenen Direktoren nicht konsultierte, ermahnte ihn Strong: »Du bist ein lieber alter komischer Vogel, und eine meiner Pflichten scheint zu sein, Dich ab und an zu belehren.«
    Es ging nicht nur um Arbeit. Oft kam es zu liebevollen Neckereien. Einmal schrieb Norman, der gerade von einem Besuch bei Strong in New York zurückgekommen war, dass er aus Versehen eines von Strongs Jacketts eingepackt hatte:
Lieber Ben,
seit ich Dir auf dem Schiff schrieb, ist ein weiteres Verbrechen entdeckt worden. Am zweiten Tag nach meiner Rückkehr kleidete ich mich wie gewöhnlich abends um und ging nach unten, als ich feststellte, dass ich als Gentleman, wenn nicht als feiner Pinkel verkleidet war! Das lag an dem blauen Samtjackett, von gutem Stil, Passform und Verarbeitung. Ben, ich kann nur mit Hilfe Deiner Garderobe respektabel aussehen!
    Manchmal klangen sie wie zwei harmlose alte Junggesellen, denen es großen Spaß machte, einander aufzuziehen – ob es nun um ein Ölporträt Strongs ging, das Norman auf den Seiten von Town and Country entdeckt hatte, um Normans Verstörtheit, wenn es im Thorpe Lodge Reparaturarbeiten gab oder um seine Beschäftigung mit der Philosophie Spinozas.
    Norman, von Natur aus der Gefühlvollere von beiden, konnte schwärmerisch und sentimental sein, und er kümmerte sich sehr um die Gesundheit seines Freundes. »Lass mich Dich dringend bitten, besser für Dich zu sorgen, als Du es offenbar tust. Du gehörst anderen ebenso wie Dir selbst«, schrieb er 1921 nach einem Besuch in New York. Er belehrte Strong, dass dieser zu viele Camels rauche und wollte unbedingt Einzelheiten wissen, wie es bei ihm um »Puls & Schlaf & Beine & Atmung« stand. »Seit 4 Wochen habe ich kein Wort gehört.« Der zurückhaltendere Strong mit seiner großen Familie hatte ein geringeres Mitteilungsbedürfnis. Aber jeder war der beste Freund des anderen. 1927, nach einem Besuch Normans, währenddessen er mit Lungenentzündung im Bett lag, sollte auch Strong
schreiben: »Es ist immer hilfreich, mit einem einfühlsamen Menschen sprechen zu können. Aber wenn es der beste Freund ist, dann bedeutet es noch mehr.«
    1923 hatten sie ernsthaft Angst um die Zukunft. Die ersten Friedensjahre, die so hoffnungsvoll begonnen hatten, hatten sich für beide als eine Zeit großer Frustration und Enttäuschungen herausgestellt. Die USA hatten sich aus den Angelegenheiten Europas in die Isolation zurückgezogen. Die europäischen Währungen blieben instabil. Niemand von ihnen konnte viel gegen das Scheitern der Wirtschaftspolitik in Deutschland oder Frankreich tun, die beide durch die Reparationen paralysiert waren: Deutschland weigerte sich, etwas für die Stabilisierung seiner Währung zu tun, bis eine fairere Einigung gefunden war, Frankreich wiederum bestand darauf, keine Zugeständnisse machen zu können, bis eine Einigung wegen seiner Kriegsschulden in Großbritannien und Amerika erzielt war.
    Für Norman stand »die Zivilisation Europas« auf dem Spiel. Aber er konnte nur düster von außen beobachten, wie sich die Dinge immer weiter verschlechterten. Er wurde immer mehr pro-deutsch und anti-französisch. Die Hartnäckigkeit der Franzosen während des Streits um die Reparationen

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