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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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konnte, war Dr. Adolph Miller. Er hatte in Harvard studiert und war 25 Jahre lang Professor an der University of California in Berkeley gewesen. Miller war ein zutiefst unsicherer Mann; er war darüber verärgert, dass die Kollegen seine Qualifikationen nicht angemessen schätzten. Diese wiederum hielten ihn abschätzig für einen Theoretiker aus dem Elfenbeinturm ohne praktische Erfahrung. Er diskutierte gern, und wenn seine Kollegen der unendlichen Streitgespräche müde wurden, begann er mit sich selbst zu diskutieren. So war es keine Überraschung, dass er oft verwirrt und unentschlossen war, mit einer Tendenz, bei vielen Themen extrem dogmatische, aber widersprüchliche Positionen einzunehmen. Zudem hatte er eine besondere Abneigung gegen Strong entwickelt, weil er den jungen Mann um seinen Einfluss und seine Autorität beneidete.
    Es war nicht hilfreich, dass Miller seine Wirtschaftswissenschaften erlernt hatte, als diese Disziplin noch ziemlich in den Kinderschuhen steckte, denn das verleitete ihn dazu, eine Reihe überholter Ansichten darüber zu vertreten, wie Geldpolitik funktionieren sollte. Dazu gehörte auch die heute völlig überholte Theorie, es könne nicht viel passieren, wenn sich die Federal Reserve und die Geschäftsbanken darauf beschränkten, kurzfristige Kredite nur zur Finanzierung von Warenbeständen zu gewähren.
    Angesichts solcher Aufsichtsräte war es keine Überraschung, dass Strong das Führungsvakuum ausfüllen und die Institution dominieren konnte. Im Gegensatz zu denen, die nominell seine Vorgesetzten waren, unternahm er den ernsthaften Versuch – vor allem während seiner vielen Reisen nach Europa –, sich im Bereich des Zentralbankwesens weiterzubilden. Er war es zum Beispiel auch, der die Hauptverantwortung für die größte Innovation in der Funktionsweise der Fed trug – die sogenannten Offenmarkt-Operationen. Bei der Gründung der Fed nahm man an, sie werde die Kreditbedingungen in erster Linie durch Veränderungen des Diskontsatzes beeinflussen, also desjenigen Zinses, der von den Mitgliedsbanken verlangt wird. Anfang der 1920er-Jahre stellte sich diese Technik als zu passiv heraus, weil sie davon abhängig war, inwieweit die Bankiers bereit waren, Kredite zum Diskontsatz aufzunehmen. Strong erkannte, dass die Fed die Menge des Geldflusses durch das Bankensystem direkt und unmittelbar steuern konnte, indem sie Wertpapiere aus ihrem Bestand kaufte oder verkaufte.
    Die Kontrolle der Offenmarkt-Operationen wurde natürlich das Objekt eines intensiven Machtkampfes. Der Kauf und Verkauf von Wertpapieren aus ihren Beständen war ursprünglich das Vorrecht der Reservebanken, aber 1923 erkannte der Aufsichtsrat die Macht des neuen Werkzeugs und versuchte die Kontrolle zu übernehmen, indem er verlangte, das Komitee, das diese Entscheidungen traf, müsse unter seiner Schirmherrschaft operieren. Strong war damals in Colorado und erholte sich von seinem Tuberkulose-Rückfall im Hals. Er war außer sich. »Ich werde sie alle in der Hölle schmoren sehen, ehe ich von diesem feigen Haufen entlassen werde!«, schrieb er an einen der anderen Direktoren. Schließlich willigte er ein, dem Rat die Aufsicht über solche Operationen einzuräumen. Aber weil er von allen Mitglieder des neuen Offenmarkt-Ausschusses am meisten über dieses Thema wusste, konnte er problemlos fast alle Entscheidungen treffen.
    Dabei trat er vielen Leuten auf die Zehen und gab sich keine Mühe, seine Ungeduld mit den Mitgliedern des Aufsichtsrats zu verbergen. Manche beklagten sich, er würde seine eigenen Fähigkeiten überschätzen, dass er zu provokativ sei, dass es ihm an Urteilskraft mangele, vor allem, was andere Menschen betraf. Aber als intellektueller Kopf der Federal Reserve hatte er sich innerhalb der Organisation eine große Gefolgschaft erworben und wurde von den jüngeren Männern »angebetet«.
    Wenn es ein Problem bei diesem ganzen Prozess der Geldpolitik gab, dann dieses, dass alles zu sehr von Strong abhing – von seiner Urteilskraft, seinem Geschick, seinem Verständnis. Er war zu autokratisch, operierte zu sehr auf eigene Faust und nahm sich nicht die Zeit, im ganzen System einen Konsens zu erreichen. Folglich wurden die Beweggründe vieler seiner Entscheidungen falsch interpretiert und seine Motive wurden ständig infrage gestellt. Dass er seine Politik und das dahinterliegende Denken nicht institutionalisiert hatte, führte zu einer Lähmung der Fed durch interne Konflikte, wenn er nicht da

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