Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
und über die Kreditkonditionen wurden den zwölf von Bankiers dominierten regionalen Reservebanken anvertraut. Dieses Netzwerk wurde von einem Direktorium mit Sitz in Washington überwacht, dessen acht Mitglieder vom Präsidenten ernannt wurden. Allgemein gesagt konnten nur die Reservebanken politische Maßnahmen in die Wege leiten, aber die Maßnahmen mussten vom Aufsichtsrat gebilligt werden. Es kann nicht überraschen, dass es innerhalb dieses Systems gewisse Rangeleien um die Kontrolle gab. Der exakte Sitz der Autorität war unklar, und zu viele große Egos – die zwölf Gouverneure der Reservebanken, die sechs politischen Vertreter im Federal Reserve Board, der Finanzminister und der Präsident der Bankenaufsichtsbehörde, beide vom Amts wegen Mitglieder des Aufsichtsrats – rangelten um die Macht.
Der Aufsichtsrat in Washington war von Anfang an eine Organisation, deren Zweck und deren Mandat unklar waren. Als er 1913 geschaffen wurde, hatte man ihn als Regulierungsbehörde konzipiert, als Wachhund über die verschiedenen regionalen Reservebanken. Daher glaubte man, der Rat sollte aus Personen von außerhalb des Bankwesens bestehen. Aber viel Geltung wollte man ihm nicht verleihen. Als sich die ersten Mitglieder des Rats beim Präsidenten darüber beklagten, der Protokollexperte des Außenministeriums habe entschieden, der Rat als jüngste Regierungsagentur solle im Protokoll an letzter Stelle stehen, sagte Wilson, seinetwegen könne er »gleich nach der Feuerwehr« stehen.
Der Rat hatte nicht einmal einen eigenen Sitz, sondern arbeitete in einigen dunklen und düsteren Büros im obersten Stockwerk des Finanzministeriums, und vom Sitzungssaal aus blickte man in einen schmutzigen Innenhof. Die Gehälter der Mitglieder waren typisch für den öffentlichen Dienst, beträchtlich niedriger als im privaten Sektor und sogar viel niedriger als die Bezahlung der Gouverneure der regionalen Reservebanken. Kein Wunder, dass der Aufsichtsrat Probleme hatte, gute Leute anzuziehen – bei einer Gelegenheit lehnten sechs verschiedene Kandidaten das Angebot einer Stellung ab, ehe man jemanden zur Annahme bewegen konnte.
Folglich war der Aufsichtsrat nach J. K. Galbraiths Beschreibung »eine Körperschaft von erstaunlicher Inkompetenz.« 1923 war Daniel Crissinger der Vorsitzende. Er wurde in einer Holzhütte in Marion, Ohio, geboren und war eine lokale Berühmtheit, Anwalt und Bankier, der bis zur Position des Generalanwalts der Marion Steam Shovel Company aufgestiegen war und zweimal für den Kongress kandidiert hatte, wenn auch erfolglos. Er hatte auch das Glück, schon seit seiner Kindheit mit Warren Harding befreundet zu sein. Obwohl er in jeder Hinsicht »keinerlei Ahnung vom globalen oder ökonomischen Bankwesen hatte«, wurde er zum Präsidenten der Bankenaufsichtsbehörde ernannt, nachdem sein alter Freund Präsident geworden war. Im Jahr danach beförderte ihn der Präsident zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats.
Neben dem Vorsitzenden und den beiden Mitgliedern von Amts wegen saßen noch fünf weitere Gouverneure im Aufsichtsrat. Sie waren sorgfältig ausgewählt, aber nicht nach ihren Fähigkeiten, sondern danach, dass die verschiedenen Regionen des Landes angemessen vertreten waren. Aus Memphis in Tennessee kam George Roosa James, ein Kurzwarenhändler und ein Mann von starker Energie, so etwas wie ein Rohdiamant. Seine wirtschaftlichen Ideen waren allerdings ein wenig exzentrisch. Stark in der Vergangenheit verwurzelt war er der festen Überzeugung, die Grundlage der Wirtschaft seien Pferd, Maultier und Heu, und der Verfall der Nation habe mit der Ankunft des Automobils begonnen.
Aus Iowa kam Edward Cunningham, der sein Leben als kleiner Farmer begonnen hatte und später Sprecher des Parlaments von Iowa wurde. Aus Poughkeepsie im Staat New York kam Edmund Platt, Herausgeber einer Lokalzeitung. Er war als Mitglied der Wasserbehörde seiner Stadt in die Politik eingestiegen und saß dann drei Legislaturperioden für die Republikaner im Kongress. Boston lieferte George Hamlin, das Ratsmitglied mit der längsten Dienstzeit. Woodrow Wilson hatte ihn 1914 zum Vorsitzenden ernannt. Von Berufs wegen Rechtsanwalt hatte er 1902 und 1910 vergeblich als Gouverneur von Massachusetts kandidiert – eine gescheiterte politische Karriere war also offenbar kein Hindernis, sondern fast eine Qualifikation für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat.
Ein Mitglied allerdings, das mit Recht einigen Sachverstand für sich beanspruchen
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