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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Hunger?»
    «Nein.» Sie wusste, dass er es auf ein Spiel anlegte und wollte gewinnen.
    |277| «Und wenn ich einen Zauber anwende», sagte Ragnar, «und es dazu bringe, Gras zu fressen?»
    «Das kannst du nicht.»
    «Woher weißt du das?», fragte er. «Ich war schon an Orten, wo die Holzpferde jeden Morgen auf die Weide getrieben werden.
     Dort wächst das Gras über Nacht bis zum Himmel, und jeden Tag weiden es die Holzpferde wieder ab.»
    «Nein, das tun sie nicht», sagte sie grinsend.
    «Und wenn ich meinen Zauberspruch aufsage», fuhr Ragnar fort, «dann frisst dein Pferd auch Gras.»
    «Es ist mein Pferd», beharrte Edward.
    «Zauberspruch?» Nun hatte Ragnar ihre Aufmerksamkeit geweckt.
    «Dazu musst du das Pferd auf die Wiese stellen», sagte Ragnar.
    Sie suchte in meinem Gesicht nach einer Bestätigung, doch ich zuckte nur mit den Schultern, und sie wandte ihren Blick wieder
     Ragnar zu, der vollkommen ernst blieb. Und weil sie gern einen Zauber sehen wollte, stellte sie das Holzpferd vorsichtig neben
     einen der langgezogenen Haufen abgemähten Grases. «Und jetzt?», fragte sie erwartungsvoll.
    «Jetzt musst du die Augen schließen», sagte Ragnar, «dich dreimal um dich selbst drehen und dabei ganz laut Havacar rufen.»
    «Havacar?»
    «Vorsicht!», sagte er warnend und blickte erschreckt um sich. «Man darf Zauberworte nicht leichtfertig aussprechen.»
    Sie schloss die Augen, drehte sich dreimal um sich selbst, und während sie das tat, deutete Ragnar auf das Pferd und nickte
     Edward zu, der es sich schnappte und zu seinem |278| Kindermädchen rannte, und bis Æthelflaed leicht schwankend vom Drehschwindel ihr Zauberwort gerufen hatte, war das Pferd verschwunden.
    «Du hast gemogelt!», beschuldigte sie Ragnar.
    «Aber du hast eine Lektion gelernt», sagte ich und ging neben ihr in die Hocke, als wolle ich ihr ein Geheimnis verraten.
     Ich beugte mich an ihr Ohr und flüsterte: «Trau niemals einem Dänen.»
    Sie lächelte. Sie hatte mich während des langen, feuchten Winters gut kennengelernt, in dem ihre Familie in die Marschen von
     Somersæte geflüchtet war, und in dieser trübseligen Zeit begonnen, mich zu mögen, genauso wie ich sie. Sie hob ihre Hand und
     berührte meine Nase. «Wie ist das passiert?»
    «Ein Mann hat mir die Nase gebrochen», sagte ich. Es war Hakka gewesen, der mich auf dem
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geprügelt hatte, weil ich mich vorm Rudern drücken wollte.
    «Sie ist schief», sagte sie.
    «Deswegen rieche ich auch nur noch schiefe Gerüche.»
    «Was ist aus dem Mann geworden, der sie dir gebrochen hat?»
    «Er ist tot», sagte ich.
    «Gut», sagte sie. «Bald werde ich verheiratet.»
    «Wirklich?»
    «Mit Æthelred von Mercien», sagte sie stolz. Dann runzelte sie die Stirn, weil ein Ausdruck des Abscheus über mein Gesicht
     geflogen war.
    «Mit meinem Cousin?», fragte ich und bemühte mich um eine erfreute Miene.
    «Ist Æthelred dein Cousin?», fragte sie.
    «Ja.»
    «Ich bin zu seiner Frau bestimmt», sagte sie, «und ich werde in Mercien leben. Warst du schon in Mercien?»
    |279| «Ja.»
    «Ist es schön dort?»
    «Es wird dir gefallen», sagte ich, obwohl ich es nicht glaubte, jedenfalls nicht, solange sie mit meinem rotznäsigen, aufgeblasenen
     Cousin verheiratet war. Doch das konnte ich kaum sagen.
    Sie runzelte wieder die Stirn. «Bohrt Æthelred in der Nase?»
    «Ich glaube nicht.»
    «Edward tut es», sagte sie, «und dann lutscht er seinen Finger ab. Uuh.» Sie beugte sich zu mir, gab mir unvermittelt ein
     Küsschen auf meine gebrochene Nase und rannte zurück zu dem Kindermädchen.
    «Ein hübsches Kind», sagte Ragnar.
    «Das an meinen Cousin verschwendet wird», sagte ich.
    «Verschwendet?»
    «Er ist nichts weiter als ein wichtigtuerisches Stück Scheiße namens Æthelred», sagte ich. Er hatte Männer nach Ethandun gebracht,
     nicht viele, aber genug, um Alfreds Gunst zu gewinnen. «Dahinter steckt der Gedanke», sagte ich, «dass er nach dem Tod seines
     Vaters zum Aldermann von Mercien wird, und wenn er mit Alfreds Tochter verheiratet ist, wird das Mercien an Wessex binden.»
    Ragnar schüttelte den Kopf. «Dafür gibt es zu viele Dänen in Mercien. Die Sachsen werden nie wieder dort herrschen.»
    «Alfred würde seine Tochter niemals nach Mercien verheiraten», sagte ich, «wenn er nicht überzeugt wäre, dass es dort etwas
     zu gewinnen gibt.»
    «Wer etwas gewinnen will», sagte Ragnar, «muss kühn sein. Es reicht nicht, etwas aufzuschreiben, um zu gewinnen, man

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