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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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die Reliquien trugen, die Alfred bei all seinen Reisen begleiteten. Dann kamen einige königliche Leibwächter, denen es als
     Einzigen gestattet war, im Wohnbezirk des Königs Waffen zu tragen, und dann folgten noch mehr Priester, die sich angeregt
     unterhielten, und mitten unter ihnen befand sich Alfred. Er hatte sich nicht verändert. Immer noch sah er aus wie ein Geistlicher,
     hager, blass und gelehrt. Ein Priester redete lebhaft auf ihn ein, und er nickte, während er schweigend zuhörte. Seine Kleidung
     war bescheiden. Er trug seinen schwarzen Umhang, der ihn aussehen ließ wie einen Kleriker, und keinen königlichen Stirnreif,
     sondern nur eine wollene Kappe. An seiner Hand ging Æthelflaed, und wie mir auffiel, hatte sie wieder das Pferd ihres Bruders
     dabei. Sie hüpfte mehr auf einem Bein, als dass sie ging, und zog auf diese Art ihren Vater immer wieder ein Stück von dem
     Priester weg, |283| doch Alfred ließ sie gewähren, denn er liebte seine Kinder zärtlich. Dann zog sie ihn absichtlich weg, weil sie ihn an die
     Stelle der Wiese bringen wollte, wo Ragnar und ich zu seiner Begrüßung standen, und er gab nach und ließ sich von ihr zu uns
     führen.
    Ragnar und ich knieten nieder. Ich hielt meinen Kopf gesenkt.
    «Uhtred hat eine gebrochene Nase», erklärte Æthelflaed ihrem Vater, «und der Mann, der es getan hat, ist jetzt tot.»
    Eine königliche Hand hob mein Kinn an, und ich blickte in das bleiche, schmale Gesicht mit den klugen Augen. Er wirkte erschöpft.
     Ich vermutete, dass er wieder an den Krämpfen im Gedärm litt, die sein Leben zu einer einzigen Qual machten. Er blickte mich
     mit gewohntem Ernst an und brachte dann doch noch ein halbes Lächeln zustande. «Ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen,
     Uhtred.»
    «Ich schulde Euch Dank, Herr», sagte ich demütig, «also danke ich Euch.»
    «Steht auf», sagte er zu uns, und wir standen beide auf. Alfred sah Ragnar an. «Ich werde Euch bald freilassen, Herr Ragnar.»
    «Ich danke Euch, Herr.»
    «Aber in einer Woche werden wir hier eine Feier zur Fertigstellung unserer neuen Kirche abhalten. Außerdem werden wir diese
     junge Dame in aller Form mit Herrn Æthelred verloben. Ich habe den Witan einberufen, und ich bitte euch beide zu bleiben,
     bis die Beratungen abgeschlossen sind.»
    «Ja, Herr», sagte ich. In Wahrheit wollte ich nur nach Northumbrien, aber ich war Alfred verpflichtet und konnte eine Woche
     oder zwei warten.
    |284| «Und in dieser Zeit», sagte er, «könnte ich Angelegenheiten zu erledigen haben», er unterbrach sich, als ob er fürchtete,
     zu viel zu sagen, «Angelegenheiten», fuhr er rätselhaft fort, «bei denen ich eure Dienste beanspruchen könnte.»
    «Ja, Herr», wiederholte ich, und er verabschiedete sich mit einem Nicken.
    Also warteten wir. In Erwartung der Feierlichkeiten kamen immer mehr Leute in die Stadt. Es waren Tage der Zusammenkunft.
     All die Männer, die Alfreds Truppen bei Ethandun geführt hatten, waren da, und sie grüßten mich voll Freude. Wiglaf von Somersæte
     und Harald von Defnascir und Osric von Wiltunscir und Arnulf aus Suth Seaxa, alle kamen nach Witanceaster. Sie waren jetzt
     die Mächtigen des Königreiches, die großen Herren, die Männer, die zu ihrem König gestanden hatten, als seine Niederlage besiegelt
     schien. Doch Alfred strafte auch die nicht, die aus Wessex geflohen waren. Wilfrith war immer noch Aldermann von Hamptonscir,
     obwohl er sich ins Frankenreich davongemacht hatte, um Guthrums Angriff zu entgehen, und Alfred behandelte Wilfrith mit übertriebener
     Höflichkeit. Trotzdem stand immer noch eine unsichtbare Hürde zwischen denen, die geblieben waren, um zu kämpfen, und denen,
     die geflohen waren.
    Auch Volk, das für Unterhaltung sorgte, kam in die Stadt. Die üblichen Gaukler und Stelzengänger, die Geschichtenerzähler
     und Musiker, aber den größten Zulauf hatte ein mürrischer Mann aus Mercien. Er hieß Offa und reiste mit einem Rudel abgerichteter
     Hunde. Es waren nur Terrier, die Art, die meistens bei der Rattenjagd eingesetzt wird, doch Offa konnte sie tanzen, auf ihren
     Hinterläufen gehen und durch Reifen springen lassen. Einer der Hunde konnte sogar reiten. Er hielt dabei die Zügel zwischen
     den Zähnen, |285| und die anderen liefen mit kleinen Ledereimern hinterher, um die Pennys von den Zuschauern einzusammeln. Zu meinem Erstaunen
     war Offa in den Palas eingeladen. Alfred hatte für seichte Vergnügungen normalerweise nicht viel

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