Die Herren des Nordens
zuckte mit ihrer Hand zurück.
Trotzdem stieg ihr Röte ins Gesicht, und sie erwiderte meinen Blick unter halbgesenkten Lidern. Einen Herzschlag lang sah
ich die alte Hild vor mir, die zarte, schöne Hild, doch dann beherrschte sie ihre Miene wieder und bemühte sich um einen strengen
Gesichtsausdruck. «Jetzt kannst du zu Gisela gehen», sagte sie.
Ich hatte Gisela während unseres ganzen Gespräches nicht erwähnt, und jetzt tat ich so, als würde mir dieser |272| Name wenig bedeuten. «Sie wird inzwischen wohl verheiratet sein», sagte ich leichthin, «wenn sie überhaupt noch lebt.»
«Als ich aus Northumbrien weggegangen bin, lebte sie noch», sagte Hild, «allerdings ist das schon acht Monate her. Damals
hat sie nicht mehr mit ihrem Bruder gesprochen, weil er dir das angetan hat. Ich habe ganze Tage damit verbracht, sie zu trösten.
Sie war in Tränen aufgelöst und außer sich vor Wut. Ein starkes Mädchen.»
«Und im heiratsfähigen Alter», sagte ich ruppig.
Doch Hild lächelte nur sanft. «Sie hat geschworen, auf dich zu warten.»
Ich berührte das Heft von Schlangenhauch. Ich war gleichzeitig voller Hoffnung und von Befürchtungen gequält. Gisela. Mit
meinem Verstand wusste ich, dass sie die Fieberträume eines Sklaven nicht erfüllen konnte, aber es gelang mir dennoch nicht,
sie aus meinem Kopf zu verbannen.
«Und vielleicht tut sie es ja wirklich», fügte Hild an und trat dann unvermittelt einen Schritt zurück. «Jetzt haben wir unsere
Gebete zu verrichten, Arme zu speisen und Kranke zu heilen.»
Und damit war ich entlassen, und nachdem ich mich durch die Tür des Konvents geduckt hatte, stand ich wieder in der schlammigen
Gasse. Die Bettler wurden hereingeholt, und ich lehnte mich mit Tränen in den Augen rücklings an die Holzwand. Die Leute drückten
sich ängstlich auf der anderen Seite der Gasse an mir vorbei, denn ich war mit einer Kriegsrüstung angetan, und von meinen
Seiten hingen Schwerter.
Gisela, dachte ich, Gisela. Vielleicht hatte sie gewartet, aber ich glaubte nicht daran, denn sie war als Friedenskuh zu wertvoll,
und dennoch würde ich zurück nach Norden |273| gehen, sobald es mir möglich war. Ich würde Gisela suchen. Ich umschloss das silberne Kreuz mit der Faust, bis sich seine
Kanten sogar durch die Schwielen bohrten, die Sverris Ruder auf meinen Handflächen hinterlassen hatten. Dann zog ich Schlangenhauch
aus der Scheide und sah, dass sich Hild sehr gut um die Klinge gekümmert hatte. Sie schimmerte unter einer dünnen Schicht
aus Wollfett oder Schmalz, die den Stahl vor Rost geschützt hatte. Ich hob das Schwert an meine Lippen und küsste die Klinge.
«Du hast Männer zu töten», sagte ich zu ihr, «und Rache zu nehmen.»
Und so war es.
Am nächsten Tag suchte ich mir einen Waffenschmied. Er erklärte, er sei sehr beschäftigt und könne meinen Auftrag erst viele
Tage später erfüllen, und da erklärte ich ihm, dass er meinen Auftrag an diesem Tag erfüllen oder nie mehr einen Auftrag erfüllen
würde, und so kamen wir zu einer Übereinstimmung: Er stimmte mit mir überein, dass er meinen Auftrag an diesem Tag erfüllen
würde.
Schlangenhauch ist eine wundervolle Waffe. Sie wurde von Ealdwulf gefertigt, einem Schmied aus Northumbrien, und ihre Klinge
besitzt fast überirdische Eigenschaften. Sie ist biegsam und stark, und als sie gemacht wurde, wollte ich ihr glattes Eisenheft
mit Silber oder vergoldeter Bronze verziert haben, aber Ealdwulf weigerte sich. «Das ist ein Werkzeug», hatte er mir erklärt,
«einfach ein Werkzeug. Nur etwas, mit dem man sich die Arbeit erleichtert.»
An der Griffstelle war das Heft an beiden Seiten mit Eschenholz belegt, und mit den Jahren war das Holz immer abgegriffener,
und glatter geworden. Solch ein abgenutzter Griff ist gefährlich. Im Kampf kann er dem Krieger leicht aus der Hand rutschen,
besonders, wenn Blutspritzer |274| darauf sind, und deshalb sagte ich dem Schmied, er solle mir neue Hölzer an das Heft des Schwertes nieten und darauf achten,
dass sie gut in der Hand lagen. Und ich sagte ihm, er solle das kleine Silberkreuz, das mir Hild gegeben hatte, in den Schwertknauf
einlegen.
«Ich werde alles tun, Herr», sagte er.
«Heute.»
«Ich werde mich bemühen, Herr», sagte er kraftlos.
«Es wird Euch gelingen», sagte ich, «und es wird eine sorgfältige Arbeit sein.» Ich zog Schlangenhauch, und als ich die Klinge
in der düsteren Werkstatt ans Schmiedefeuer
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