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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Förmlichkeiten?»
    «Ich bin ein Gesandter des Königs!», betonte er. «Vergiss das nicht.» Seine Empörung brach sich mit einem Mal Bahn, wie ein
     vom Regen geschwollener Fluss über seine Ufer tritt. «Dir fehlt jeglicher Begriff für Würde! Ich bin ein Gesandter! Gestern
     Abend, Uhtred, als du diesem irischen Barbaren gesagt hast, er solle mir die Kehle durchschneiden, was hast du dir dabei gedacht?»
    «Ich habe gedacht, so würdet Ihr endlich still sein, Pater.»
    «Ich werde Alfred von deiner Anmaßung berichten. Dessen kannst du sicher sein. Ich werde ihm alles berichten!»
    Er beschwerte sich immer weiter, doch ich hörte nicht mehr zu, denn wir waren über die Hügelkuppe geritten, und vor uns im
     Tal lag Cetreht in einer der Flussschleifen des Swale. Die Römerfestung erstreckte sich nicht weit vom südlichen Ufer des
     Swale entfernt, und die alten Erdwälle bildeten ein großes Viereck, in dem um eine Kirche herum die Häuser eines Dorfes standen.
     Jenseits der Festung lag die steinerne Brücke, die von den Römern erbaut worden war, um ihre große Straße, die von Eoferwic
     kam, bis hinauf in den wilden Norden weiterzuführen. Die Hälfte des alten Steinbogens stand noch.
    Als wir näher kamen, erkannte ich, dass sich innerhalb der Festung Pferde und Menschen drängten. Ein Banner flatterte am Kirchengiebel,
     und ich nahm an, dass es |346| Guthreds Banner mit dem Bild des Sankt Cuthbert war. Ein paar Reiter auf der nördlichen Seite des Flusses versperrten Guthred
     die Flucht über die andere Seite der Festung, während Rolfs sechzig Reiter in den Feldern südlich der Festung geblieben waren.
     Gemeinsam wirkten sie wie Hunde, die einen Fuchsbau ausheben.
    Ragnar hatte sein Pferd gezügelt. Seine Männer machten sich zum Kampf bereit. Sie fuhren mit den Armen in die Schlaufen ihrer
     Schilde, rückten die Schwerter zurecht und warteten auf Ragnars Anweisungen. Ich blickte hinunter in das Tal. Die Festung
     bot keinerlei Schutz. Ihre Mauern waren längst in die Gräben gesunken, und es gab keine Palisade, sodass ein paar große Schritte
     reichten, um über die Wälle zu steigen. Die sechzig Berittenen hätten einfach in das Dorf reiten können, aber sie hielten
     sich lieber dicht vor dem alten Festungswall und brüllten Beleidigungen. Einige von Guthreds Männern beobachteten sie vom
     Rand der Festung aus. Andere hatten sich um die Kirche versammelt. Sie hatten uns auf dem Hügel gesehen und mussten geglaubt
     haben, wir wären ebenfalls Feinde, denn sie rannten zu den Überresten der südlichen Festungswälle. Mit brennenden Augen starrte
     ich auf das Dorf hinunter. War dort Gisela? Ich dachte an die Art, in der sie ihren Kopf herumwarf, und daran, wie mich ihre
     Augen unter dem dunklen Haar angesehen hatten, und wie von selbst trieb ich mein Pferd ein paar Schritte voran. Ich hatte
     über zwei Jahre an Sverris Ruder verbracht, und nun war der Moment gekommen, von dem ich all die Zeit geträumt hatte. Also
     wartete ich nicht auf Ragnar. Ich drückte meinem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt allein hinunter in das Tal des Swale.
     
    |347| Beocca natürlich, das war auch nicht anders zu erwarten, folgte mir und quäkte, er müsse als Alfreds Gesandter an der Spitze
     reiten, wenn wir bei Guthred einträfen, aber ich achtete nicht auf ihn, und auf halbem Weg den Hügel herunter fiel er vom
     Pferd. Verzweifelt schrie er auf und versuchte humpelnd, seine Stute wieder einzufangen.
    Die späte Herbstsonne schien hell über der immer noch regenfeuchten Landschaft. Ich trug einen Schild mit einem polierten
     Buckel, eine Kettenrüstung und einen Helm, meine Armringe glänzten, und ich glitzerte wie ein Kriegsherr. Kurz wandte ich
     mich im Sattel nach Ragnar um. Er folgte mir nicht auf geradem Weg, sondern schlug einen Bogen Richtung Osten. Offenbar hatte
     er vor, Kjartans Männern die beste Fluchtmöglichkeit über die östlich gelegenen Uferauen abzuschneiden.
    Dann erreichte ich den Fuß des Hügels und galoppierte durch das Flusstal auf die Römerstraße zu. Ich kam an einem christlichen
     Friedhof vorbei, auf dessen unebenem Grund viele Holzkreuze standen, die auf ein größeres Kreuz ausgerichtet waren. Es würde
     den Toten an dem Tag, an dem die Christen glaubten, dass ihre Körper aus der Erde auferstünden, anzeigen, in welcher Richtung
     Jerusalem lag. Die Straße führte an den Gräbern vorbei zum südlichen Eingang der Festung, von wo aus mich einige von Guthreds
     Männern

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