Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
die Ohren an und
     machte ein paar kurze, tänzelnde Schritte, als würde er das Glücksgefühl seines Herrn teilen. Wir ritten an der Spitze, wenn
     Ragnar auch ein Dutzend Männer auf flinken Ponys als Vorhut losgeschickt hatte. Diese Männer |340| tauschten Meldungen aus und gaben sie an Ragnar weiter. Sie sprachen mit den Schäfern, hörten sich Gerüchte an und prüften,
     woher der Wind wehte. Sie waren wie Hunde, die nach einer Fährte suchten, und nun wollten sie Guthreds Spur finden. Wir gingen
     davon aus, dass er westwärts in Richtung Cumbrien unterwegs war, doch die Späher hielten sich den ganzen Morgen über im Osten.
     Wir kamen nur langsam voran, was Pater Beocca unruhig werden ließ, aber bevor wir schnell reiten konnten, mussten wir wissen,
     wohin es gehen sollte. Dann waren endlich die Späher sicher, dass die Spur Richtung Osten führte, ließen ihre Ponys über die
     Hügel galoppieren, und wir folgten ihnen. «Guthred versucht, zurück nach Eoferwic zu kommen», vermutete Ragnar.
    «Das ist ihm zu spät eingefallen», sagte ich.
    «Oder die Angst hat ihn überwältigt», meinte Ragnar gutgelaunt, «und er weiß nicht mehr, was er tut.»
    «Das klingt schon wahrscheinlicher», sagte ich.
    Brida und ungefähr zwanzig weitere Frauen ritten mit uns. Brida trug eine Lederrüstung, und ihr schwarzer Umhang wurde am
     Hals von einer schönen Brosche aus Silber und Jettstein zusammengehalten. Sie hatte ihr Haar mit einem schwarzen Band hochgebunden,
     und an ihrer Seite hing ein Schwert. Sie war zu einer anmutigen Frau herangewachsen und strahlte Durchsetzungsvermögen aus,
     und das, so glaube ich, war Pater Beocca, der sie seit ihrer Kindheit kannte, ein Dorn im Auge. Sie war als Christin erzogen
     worden, doch dann hatte sie diesen Glauben aufgegeben, und das hatte Beocca erschüttert, wenn ich auch meine, dass ihn ihre
     Schönheit noch stärker aus dem Gleichgewicht brachte. «Sie ist eine Zauberin», zischte er mir zu.
    «Wenn sie eine Zauberin ist», sagte ich, «dann ist es gut, sie auf unserer Seite zu haben.»
    |341| «Gott wird uns strafen», warnte er.
    «Dieses Land gehört nicht Eurem Gott», erklärte ich ihm. «Das ist Thors Land.»
    Er bekreuzigte sich, um sich vor meinen sündigen Gedanken zu schützen. «Und was ist dir gestern Abend eingefallen?», fragte
     er empört. «Wie konntest du auch nur daran denken, hier König zu werden?»
    «Ganz einfach», sagte ich. «Ich stamme von Königen ab. Anders als Ihr, Pater. Ihr stammt von Schweinehirten ab, war es nicht
     so?»
    Darauf ging er nicht ein. «Der König ist im Namen des Herrn geweiht», beharrte er. «Der König ist von Gott und der ganzen
     Heiligenschar auserwählt. Sankt Cuthbert hat Guthred Northumbrien verliehen, wie konntest du auch nur daran denken, ihn zu
     ersetzen? Wie konntest du?»
    «Dann können wir ja umkehren und nach Hause zurückkehren», sagte ich.
    «Umkehren und nach Hause zurückkehren?», fragte Beocca entsetzt. «Warum?»
    «Wenn Cuthbert ihn wirklich auserwählt hat», sagte ich, «dann kann Cuthbert ihn auch verteidigen. Dann braucht uns Guthred
     nicht. Er kann ja mit seinem toten Heiligen aufs Schlachtfeld ziehen. Vielleicht hat er es auch schon getan», sagte ich. «Habt
     Ihr daran schon einmal gedacht?»
    «Woran?»
    «Dass Guthred schon besiegt sein könnte. Er könnte tot oder von Kjartan in Ketten gelegt worden sein.»
    «Davor möge uns Gott behüten», sagte Beocca und bekreuzigte sich erneut.
    «Das ist nicht geschehen», beruhigte ich ihn.
    «Woher weißt du das?»
    «Weil wir sonst schon Überlebenden aus seiner Truppe begegnet wären», sagte ich, obwohl ich dessen nicht sicher |342| sein konnte. Vielleicht kämpfte Guthred eben in diesem Moment, in dem wir uns unterhielten, aber ich hatte das Gefühl, dass
     er am Leben und nicht sehr weit entfernt war. Es ist kaum möglich, dieses Gefühl zu beschreiben. Es ist wie ein unsichtbares
     Wahrnehmungsvermögen und so schwer zu deuten wie eine göttliche Botschaft aus dem Fall einer Zaunkönigsfeder. Dennoch hatte
     ich gelernt, diesem Gefühl zu trauen.
    Und es trog mich auch dieses Mal nicht, denn am späten Vormittag jagte einer der Späher über die Moorlandschaft auf uns zu.
     Die Mähne seines Ponys flatterte im Wind. Bei uns angekommen, zügelte er sein Pferd in einem Wirbel von Torfbrocken und Farnkräutern
     und berichtete Ragnar atemlos, im Tal des Swale liege ein großer Verband aus Männern und Pferden. «Sie sind in Cetreht,

Weitere Kostenlose Bücher