Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
von den Abgaben, die sie sich von Reisenden bezahlen ließen, und wenn sie
     nicht zahlten, wurden die Reisenden ausgeraubt, versklavt oder umgebracht. Kjartan und sein Sohn mussten wissen, dass die
     Leute versuchten, ihnen auf den Hügelpfaden auszuweichen, und ich hätte wachsamer sein sollen. Bolti fürchtete sich nicht,
     denn er vertraute mir einfach. Er erzählte mir, wie Kjartan und Sven durch Sklavenhandel reich geworden waren. «Sie nehmen
     jeden, Däne oder Sachse», sagte er, «und verkaufen alle in das Land über dem Wasser. Wenn man Glück hat, kann man einen Sklaven
     zurückkaufen, aber der Preis ist sehr hoch.» Er warf einen Blick auf Pater Willibald. «Die Priester bringt er alle um.»
    «Das tut er?»
    «Er hasst die ganzen Christenpriester. Er hält sie für Hexer, also lässt er sie halb eingraben und von den Hunden zerfleischen.»
    «Was hat er gerade gesagt?», fragte mich Willibald und lenkte seine Stute zur Seite, bevor Witnere sie beißen konnte.
    «Er hat gesagt, dass Kjartan Euch töten wird, wenn er Euch gefangen nehmen kann, Pater.»
    «Mich töten?»
    «Er wird Euch an seine Hunde verfüttern.»
    «Gütiger Gott», sagte Willibald. Er war unglücklich, fühlte sich verloren so weit entfernt von zu Hause, und in der fremdartigen
     Landschaft des Nordens fühlte er sich unbehaglich. Hild dagegen schien hier glücklich zu sein. Sie war neunzehn Jahre alt
     und ertrug geduldig die Mühsal, die das Leben ihr aufbürdete. Sie stammte aus einer reichen, westsächsischen Familie, die
     zwar nicht zum Adel zählte, doch genug Land besaß, um gut zu leben. Aber Hild |47| war das jüngste von acht Kindern, und ihr Vater hatte sie dem Dienst an der Kirche versprochen, weil ihre Mutter bei ihrer
     Geburt fast gestorben war und er das Überleben seiner Frau der Gnade Gottes zuschrieb. Also war Hild, deren eigentlicher Name
     Schwester Hildegyth lautete, mit elf Jahren zu den Nonnen von Cippanhamm geschickt worden und hatte bei ihnen gelebt, abgeschlossen
     von der Welt, betend und Garn spinnend, spinnend und betend, bis die Dänen gekommen waren und sie zur Hure gemacht hatten.
    Noch immer jammerte sie im Schlaf, und ich wusste, dass sie ihre Erniedrigung nicht vergessen hatte, doch nun war sie glücklich,
     aus Wessex fort zu sein und fort von den Leuten, die sie immerzu mahnten, ihr Leben wieder Gott zu weihen. Auch Willibald
     hatte sie dafür gerügt, ihr heiliges Dasein aufgegeben zu haben, doch ich hatte ihm gesagt, bei der nächsten Bemerkung dieser
     Art würde ich ihm den Bauchnabel mit dem Messer erweitern, und seitdem hatte er geschwiegen. Nun saugte Hild jeden neuen Eindruck
     mit dem Staunen eines Kindes auf. Ihr bleiches Gesicht war von der Sonne mit einem goldenen Schimmer überzogen worden, der
     zu ihrem Haar passte. Sie war eine kluge Frau, zwar nicht die klügste, die ich gekannt habe, aber doch voll scharfsichtiger
     Weisheit. Mein Leben währt nun schon lange, und ich habe erkannt, dass manche Frauen Last und Ärger bringen und manche angenehme
     Gefährtinnen sind, und Hild gehörte zu den angenehmsten, die ich je kannte. Vielleicht lag es daran, dass wir Freunde waren.
     Wir verbrachten auch die Nächte miteinander, doch Liebe war nicht zwischen uns, und sie wurde unablässig von ihren Schuldgefühlen
     verfolgt. Das alles behielt sie für sich und vertraute es nur ihren Gebeten an, und im hellen Licht des Tages konnte sie lachen
     und sich an einfachen |48| Dingen erfreuen, doch wenn die Dunkelheit der Nacht sie umfing und sie mit ihren langen Fingern leise jammernd ihr Kruzifix
     umklammerte, wusste ich, dass sie spürte, wie Gott mit langen Krallen nach ihrer Seele griff.
    Wir ritten also in die Hügel, und ich war zu sorglos, und so sah Hild die Reiter als Erste. Es waren neunzehn, die meisten
     von ihnen im Lederwams, doch drei trugen Kettenhemden. Sie schwärmten hinter uns aus, und da wusste ich, dass sie uns wie
     eine Schafherde vor sich hertreiben würden. Unser Weg folgte einer Hügelflanke, die zu unserer Rechten bis zu einem reißenden
     Fluss steil abfiel, und obwohl wir in das Tal flüchten konnten, würden wir unausweichlich langsamer sein als die Männer, die
     uns nun auf dem Pfad folgten. Sie versuchten nicht, den Abstand zu verringern. Sie sahen, dass wir bewaffnet waren, und wollten
     es nicht auf einen Kampf ankommen lassen, sie wollten einfach nur sicherstellen, dass wir weiter Richtung Norden auf unser
     Schicksal zutrotteten, wie immer es auch

Weitere Kostenlose Bücher