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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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einem Leprösen zu tun?», fragte Sven.
    Bolti wusste keine Antwort.
    «Ich reise in den Norden.» Nun hatte ich zum ersten Mal gesprochen, und meine Stimme klang dröhnend unter meinem geschlossenen
     Helm.
    «Und warum reist Ihr in den Norden?», fragte Sven.
    «Weil ich den Süden satt habe», sagte ich.
    |54| Er hörte die Feindseligkeit in meiner dumpfen Stimme und tat sie als ungefährlich ab. Er musste glauben, dass Bolti mich zum
     Schutz auf der Reise angestellt hatte, doch ich stellte keine Bedrohung dar. Sven hatte fünf Männer in nächster Nähe, die
     alle mit Schwertern oder Speeren bewaffnet waren, und innerhalb des Dorfes hatte er mindestens noch einmal vierzig weitere
     Männer.
    Sven trank einen Schluck Bier. «Wie ich höre, hat es in Eoferwic Unruhe gegeben», sagte er fragend zu Bolti.
    Bolti nickte. Ich sah, dass sich seine rechte Hand unter dem Tisch krampfhaft öffnete und schloss. «Einige Dänen wurden getötet»,
     sagte er.
    Sven schüttelte den Kopf, als fände er diese Neuigkeit höchst besorgniserregend. «Darüber wird Ivarr nicht sehr glücklich
     sein.»
    «Wo ist Ivarr?», fragte Bolti.
    «Als ich zuletzt von ihm gehört habe, war er im Tal des Tuede», sagte Sven, «und ließ Aed von Schottland für sich tanzen.»
     Er schien diesen beiläufigen Austausch von Neuigkeiten zu genießen, als ob er seine Diebereien und Raubzüge in einen Mantel
     aus Achtbarkeit hüllen wollte, indem er an solchen Gepflogenheiten festhielt. «Also», sagte er und unterbrach sich erneut,
     um zu furzen, «womit handelst du, Bolti?»
    «Leder, Felle, Kleidung, Töpferwaren», sagte Bolti und verstummte, weil er dachte, er habe schon zu viel gesagt.
    «Und ich handle mit Sklaven», sagte Sven. «Das ist Gelgill», er deutete auf den Mann neben sich, «und er kauft uns die Sklaven
     ab, und du hast drei junge Frauen, von denen ich mir für ihn und mich ein sehr einträgliches Geschäft verspreche. Was willst
     du mir also für sie bezahlen? Zahl mir genug, und du kannst sie behalten.» Er lächelte, als ob er gerade etwas völlig Vernünftiges
     gesagt hätte.
    |55| Bolti schien mit Stummheit geschlagen, doch er schaffte es, einen Beutel unter seinem Mantel hervorzuziehen und ein paar Silbermünzen
     auf den Tisch zu legen. Sven folgte jeder einzelnen Münze mit dem Blick, und als Bolti zögerte weiterzumachen, lächelte Sven
     bloß, und Bolti fuhr damit fort, Silber auf den Tisch zu zählen, bis schließlich achtunddreißig Shilling vor Sven lagen. «Das
     ist alles, was ich habe, Herr», sagte Bolti demütig.
    «Alles, was Ihr habt? Das bezweifle ich, Bolti Ericson», sagte Sven, «aber wenn es stimmt, dürft Ihr ein Ohr von einer Eurer
     Töchter behalten. Ein Ohr zu Erinnerung. Was meinst du, Gelgill?»
    Der Name Gelgill war ungewöhnlich, und ich nahm an, dass der Mann übers Meer gekommen war, denn die meisten gewinnbringenden
     Sklavenmärkte befanden sich in Dyflin oder weit weg im Frankenreich. Leise sagte er etwas, das ich nicht verstand, und Sven
     nickte. «Bringt die Mädchen her», sagte er zu seinen Männern, und Bolti schauderte. Er sah mich erneut an, als wolle er, dass
     ich Sven an seinem Vorhaben hindere, aber ich tat nichts, als die beiden Wachen zu unserer wartenden Gruppe hinübergingen.
    Sven sprach leichthin über die zu erwartende Ernte, während die Wachen Hild und Boltis Töchtern befahlen, von den Pferden
     zu steigen. Die Männer, die Bolti als Geleitschutz bezahlt hatte, taten nichts, um Svens Wachen aufzuhalten. Boltis Frau schrie
     verzweifelt auf und brach in unbeherrschbares Schluchzen aus, als ihre Töchter und Hild an den Tisch geführt wurden. Sven
     hieß sie mit übertriebener Höflichkeit willkommen, und dann stand Gelgill auf und nahm sie in Augenschein. Er ließ seine Hand
     über ihre Körper gleiten, als wolle er ein Pferd kaufen. Ich sah, wie Hild zitterte, als er ihr Kleid herabzog, um ihre Brüste
     zu begutachten, doch er hatte weniger Interesse an ihr als |56| an den beiden jüngeren Mädchen. «Einhundert Shilling jede», sagte er, nachdem seine Musterung abgeschlossen war, «und für
     die», er warf einen Blick auf Hild, «fünfzig.» Seine Aussprache war fremdartig.
    «Aber die ist doch hübsch», wandte Sven ein. «Die anderen beiden sehen dagegen aus wie kleine Ferkelchen.»
    «Sie sind Zwillinge», sagte Gelgill. «Für Zwillinge bekomme ich sehr viel Geld. Und das große Mädchen ist zu alt. Sie muss
     mindestens neunzehn oder zwanzig

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