Die Herren des Nordens
Earsling, Clapa?»
«Ein Scheißhaufen, Herr.»
«Genau, ihr Scheißhaufen! Schilde hoch! Hoch!» Ich brüllte das letzte Wort. «Wollt ihr, dass die Leute euch auslachen?» Ich
deutete auf andere Gruppen, die sich auf der großen Wiese in Scheinkämpfen übten. Tekils Krieger waren auch da, aber sie saßen
nur im Schatten und schauten zu, womit sie mehr als deutlich zu verstehen gaben, dass sie |108| keine Übung nötig hatten. Ich ging wieder zu Guthred zurück. «Ihr könnt nicht sämtliche guten Männer in Eurer Haustruppe haben»,
erklärte ich ihm.
«Warum nicht?»
«Weil Ihr dann mit ihnen eingekreist werdet, während alle anderen schon längst geflüchtet sind. Und dann sterbt Ihr. Und zwar
nicht auf die schöne Art.»
«Das ist passiert, als mein Vater gegen Eochaid kämpfte», gab er zu.
«Deshalb gehören nicht alle guten Männer in die Haustruppe», sagte ich. «Wir stellen Tekil an der einen Flanke auf und Ulf
mit seinen Männern an der anderen.» Ulf, beflügelt von der Vorstellung unermesslicher Silberschätze und wollüstiger, verderbter
Frauen, war inzwischen nur allzu bereit, gegen Eoferwic zu ziehen. Als die schwarzen Reiter ankamen, war er nicht in Cair
Ligualid, sondern mit seinen Männern unterwegs, um Futter und Verpflegung heranzuschaffen.
Ich teilte die Haustruppe in zwei Gruppen auf und ließ sie im Schildwall gegeneinander kämpfen, doch zuvor befahl ich den
Leuten, ihre Schwerter mit Stoff zu umwickeln, damit sie sich nicht versehentlich gegenseitig abschlachteten. Sie bemühten
sich, doch sie hatten nicht die geringste Aussicht auf Erfolg. In ein paar Augenblicken war ich in beide Schildwälle eingebrochen.
Aber sie würden schließlich auch noch lernen, wie man kämpft, wenn sie nicht zuvor auf Ivarrs Männer stießen. In diesem Fall
würden sie sterben. Etwas später, als sie erschöpft waren und ihnen Schweißbäche übers Gesicht strömten, ließ ich sie ausruhen.
Ich bemerkte, dass sich die Dänen mit anderen Dänen und die Sachsen mit anderen Sachsen zusammensetzten, aber das war nur
zu erwarten, und mit der Zeit würden sie schon lernen, einander zu vertrauen. Sie |109| konnten sich mehr oder weniger miteinander verständigen, denn wie mir aufgefallen war, hatten in Northumbrien die dänische
und die sächsische Sprache begonnen, sich miteinander zu vermischen. Die beiden Sprachen ähnelten sich ohnehin, und die meisten
Dänen konnten von den Sachsen verstanden werden, wenn sie laut genug brüllten, aber jetzt wurden sich Dänisch und Sächsisch
immer noch ähnlicher. Statt über ihre Schwertkunst zu reden, brüsteten sich die sächsischen Earslinge aus Guthreds Haustruppe
ihrer «Geschicklichkeit» mit dem Schwert, die sie freilich keineswegs besaßen. Die Aussprache vieler Worte der beiden Sprachen
hatte sich so angenähert, dass manchmal kaum zu unterscheiden war, ob man einen Dänen oder einen Sachsen vor sich hatte. Oft
waren sie auch beides, der Sohn eines dänischen Vaters und einer sächsischen Mutter, allerdings niemals andersherum. «Ich
sollte eine Sächsin heiraten», sagte Guthred zu mir. Wir waren am Rande des Feldes entlanggegangen, auf dem eine Gruppe Frauen
Stroh hackte und die Häcksel mit Hafer mischte. Dieses Gemisch würden wir als Pferdefutter mit über die Hügel nehmen.
«Warum sollte es eine Sächsin sein?», fragte ich.
«Um zu zeigen, dass in Haliwerfolkland beide Stämme zu Hause sind», sagte er.
«Northumbrien», sagte ich missmutig.
«Northumbrien?»
«Es heißt Northumbrien», sagte ich, «nicht Haliwerfolkland.»
Er zuckte die Schultern, als ob es auf den Namen nicht ankäme. «Ich sollte dennoch eine Sächsin heiraten», sagte er, «und
sie soll hübsch sein. So hübsch wie Hild, vielleicht? Nur, dass sie zu alt ist.»
«Zu alt?»
|110| «Ich brauche eine, die dreizehn oder vierzehn ist. Sie soll mir schließlich ein paar Kinder gebären.» Er stieg über einen
niedrigen Zaun und ein steiles Ufer zu einem kleinen Flüsschen hinunter, das weiter nördlich in den Hedene mündete. «In Eoferwic
wird es vermutlich ein paar hübsche Sächsinnen geben.»
«Aber Jungfrau soll sie schon sein, oder?»
«Wahrscheinlich», sagt er und nickte dann bekräftigend, «ja.»
«Vielleicht sind in Eoferwic ja noch eine oder zwei übrig geblieben», sagte ich.
«Schade, die Sache mit Hild», sagte er unbestimmt.
«Was meint Ihr damit?»
«Wenn Ihr nicht mit ihr zusammen wärt», sagte er lebhaft,
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