Die Herren des Nordens
Schrein.»
«Den kann er auch hier bauen.»
Guthred schüttelte den Kopf. «Er will, dass er an der Ostküste steht, weil dort mehr Menschen leben.»
Was Eadred wollte, überlegte ich, war ein Schrein, der Tausende von Pilgern anlocken würde, die mit ihrem Geld sein Kirchensäckel
füllen sollten. Er konnte den Schrein auch hier in Cair Ligualid bauen, aber der Ort war entlegen, und es würden keine tausendköpfigen
Pilgerscharen an diesen Ort kommen. «Aber Ihr seid der König», sagte ich, «also erteilt Ihr die Befehle. Nicht Eadred.»
«Stimmt», sagte er säuerlich und warf den nächsten Kiesel ins Wasser. Dann blickte er mich stirnrunzelnd an. «Was macht Alfred
zu einem guten König?»
«Wer sagt denn, dass er ein guter König ist?»
«Jeder. Pater Willibald sagt, er ist der bedeutendste König seit Karl dem Großen.»
«Das liegt daran, dass Willibald ein verwirrter Earsling ist.»
«Ihr mögt Alfred nicht?»
«Ich hasse diesen Bastard.»
«Aber er ist ein Krieger, ein Gesetzgeber …»
«Er ist kein Krieger!», fiel ich ihm voller Verachtung ins Wort. «Er hasst den Kampf! Er muss kämpfen, aber er tut es nicht
gern, und er ist viel zu krank, um sich in einen Schildwall zu stellen. Aber ein Gesetzgeber ist er. Er liebt Gesetze geradezu.
Er glaubt, wenn er erst einmal genug Gesetze erlassen hat, haben wir den Himmel auf Erden.»
|114| «Aber warum sagen die Leute dann, dass er ein guter König ist?», fragte Guthred verständnislos.
Ich sah einem Adler zu, der weit oben am blauen Himmelsgewölbe seine Schleifen zog. «Was man von Alfred sagen kann», antwortete
ich und versuchte redlich zu sein, «ist, dass er gerecht ist. Er behandelt die Leute anständig, jedenfalls die meisten. Man
kann seinem Wort trauen.»
«Das ist gut», sagte Guthred.
«Aber er ist auch ein frömmelnder, sauertöpfischer, sorgenzerfressener Bastard», sagte ich, «und das ist viel wichtiger.»
«Ich werde auch gerecht sein», sagte Guthred. «Die Leute sollen mich mögen.»
«Sie mögen Euch schon», sagte ich, «aber sie fürchten Euch auch.»
«Sie fürchten mich?» Diese Vorstellung schien ihm nicht zu gefallen.
«Ihr seid ein König.»
«Ich werde ein guter König sein», sagte er inbrünstig, und in genau diesem Moment griffen uns Tekil und seine Männer an.
Ich hätte es ahnen sollen. Acht gut bewaffnete Kämpfer reiten nicht durch die Wildnis, um sich einem hoffnungslosen Haufen
anzuschließen. Sie waren geschickt worden, und zwar nicht von irgendeinem Dänen namens Hergist aus Heagostealdes. Sie waren
von Kjartan dem Grausamen gekommen. Außer sich vor Zorn über die Demütigung seines Sohnes hatte er diese Männer ausgesandt,
um den Totenkrieger mit dem Schwert aufzuspüren, und sie hatten nicht lange gebraucht, um festzustellen, dass wir dem Römerwall
gefolgt waren. Und an diesem warmen Tag hatten Guthred und ich uns von den anderen Männern entfernt und saßen auf dem Grund
eines schmalen Tals, als die acht |115| Männer mit gezogenem Schwert die Böschung herunterliefen und auf uns zustürmten.
Ich konnte Schlangenhauch noch aus der Scheide ziehen, doch Tekil lenkte mein Schwert mit seiner Klinge seitwärts, und dann
stürzten sich zwei seiner Männer auf mich und drängten mich rücklings in das Flüsschen. Ich wehrte mich, doch mein Schwertarm
wurde niedergehalten, ein Mann kniete auf meiner Brust, und ein anderer drückte mir den Kopf unter Wasser, und ich empfand
würgendes Entsetzen, als das Wasser in meinen Rachen drang. Ich wollte schreien, doch kein Laut kam aus meinem Mund, und dann
wurde mir Schlangenhauch aus der Hand genommen, und um mich versank alles in Schwärze.
Ich kam auf der Kiesinsel wieder zu mir. Die acht Männer standen über Guthred und mir, die Spitzen ihrer Schwerter ruhten
auf unseren Bäuchen und Kehlen. Grinsend trat Tekil die Klinge weg, die auf meinen Hals drückte, und kniete sich neben mich.
«Uhtred Ragnarson», grüßte er mich, «ich glaube, du hast vor kurzem Sven den Einäugigen getroffen. Er sendet dir seine Empfehlung.»
Ich sagte nichts. Tekil lächelte. «Hast du vielleicht
Skidbladnir
in deinem Beutel? Wirst du fortsegeln? Zurück nach Niflheim?»
Ich sagte immer noch nichts. Der Atem rasselte in meiner Kehle, und ich hustete immer noch Wasser. Ich wollte kämpfen, aber
die andere Schwertspitze war immer noch auf meine Mitte gerichtet. Tekil schickte zwei seiner Männer los, damit sie die Pferde
holten, aber
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