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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und der Regen prasselte aufs Meer. Ich tastete nach
     meinem Hammeramulett. Sie hatten es mir gelassen, denn es war eine kunstlose Schnitzerei aus einem Ochsenknochen und besaß
     keinerlei Wert. Ich betete zu allen Göttern. Ich betete zu Njord, dass er mich in diesem wütenden Meer überleben ließe, und
     zu den anderen Göttern betete ich um Rache. Ich dachte, auch Sverri und seine Männer müssten schlafen, und wenn sie schliefen,
     würde ich sie umbringen. Aber dann schlief ich vor ihnen ein, und wir alle schliefen, während die Kraft des Windes erlahmte.
     Einige Zeit später |213| wurden wir Sklaven mit Tritten wieder geweckt und zogen das Segel auf, und dann fuhren wir vor dem Wind in Richtung des grauen
     Küstensaums.
    Vier der Ruderer waren Sachsen, drei waren Nordmänner, drei waren Dänen, und der letzte war Ire. Er saß auf der Bank mir gegenüber,
     und ich wusste zuerst nicht, dass er Ire war, denn am Anfang sprach er kaum je ein Wort. Er war von hagerer Gestalt, hatte
     dunkle Haut und schwarzes Haar und trug, obwohl er vermutlich höchstens ein Jahr älter als ich war, die Narben eines erfahrenen
     Kriegers. Mir fiel auf, dass Sverris Männer ihn genau im Auge behielten, weil sie fürchteten, er könne Schwierigkeiten machen,
     und als der Wind später an diesem Tag auf Süden drehte und wir wieder rudern mussten, legte sich der Ire mit wütender Entschlossenheit
     in die Riemen. Da fragte ich ihn nach seinem Namen, aber sofort stürmte Hakka zu uns und schlug mich mit einem Lederknoten
     ins Gesicht. Blut schoss mir aus der Nase. Hakka lachte darüber und wurde gleich darauf erneut wütend, weil ich keinen Schmerz
     zeigte. Also schlug er mich noch einmal. «Du sprichst nicht», erklärte er mir, «und du bist ein Garnichts. Was bist du?» Ich
     antwortete nicht, also schlug er mich wieder, diesmal noch fester. «Was bist du?», forderte er Antwort.
    «Ein Garnichts», knurrte ich.
    «Du hast gesprochen!», jubelte er und schlug mich erneut. «Du darfst nicht sprechen!», schrie er mich an und knallte mir den
     Lederknoten an den Kopf. Er lachte, weil er mich dazu gebracht hatte, die Regel zu übertreten, und ging zurück in den Schiffsbug.
     Also ruderten wir schweigend, und wenn es dunkel war, schliefen wir, doch bevor wir schliefen, wurden wir aneinandergekettet.
     Das taten sie jede Nacht, und einer von ihnen hatte dabei immer einen Pfeil zum Abschuss bereit, falls jemand von uns den
     Mann |214| angreifen sollte, der sich vor uns niederbeugte, um die Ketten aneinanderzuschließen.
    Sverri wusste, wie man ein Sklavenschiff führt. In diesen ersten Tagen suchte ich immer nach einer Möglichkeit zu kämpfen,
     doch ich fand keine. Niemals legten wir die Ketten ab. Wenn wir in einem Hafen waren, mussten wir in den Raum unter der Steuerplattform
     kriechen, der anschließend zugenagelt wurde. Hier konnten wir reden, und so erfuhr ich manches von den anderen Sklaven. Die
     vier Sachsen waren alle von Kjartan in die Sklaverei verkauft worden. Sie waren Bauern gewesen und verfluchten den Christengott
     für ihr Unglück. Die Nordmänner und die Dänen waren Diebe und von ihren eigenen Leuten zur Sklaverei verurteilt worden und
     allesamt mürrische Rohlinge. Von Finan, dem Iren, erfuhr ich wenig. Er war wortkarg und ein aufmerksamer Beobachter. Obwohl
     der Kleinste von uns, war er sehr stark, und hinter seinem schwarzen Bart verbarg sich ein kluges Gesicht. Ebenso wie die
     Sachsen war auch er Christ, jedenfalls hingen die zersplitterten Reste eines Holzkreuzes an einer Lederschnur um seinen Hals,
     und manchmal küsste er das Holz und drückte es an seine Lippen, während er schweigend betete. Wohl sprach er nicht viel, doch
     er hörte genau zu, wenn die anderen Sklaven von Frauen, Essen und ihrem früheren Leben redeten, und ich meine, sie haben über
     alles nur Lügen erzählt. Ich hielt meinen Mund, genau wie Finan seinen Mund hielt, obwohl er manchmal, wenn die anderen schliefen,
     ein trauriges Lied in seiner Sprache sang.
    Wenn Fracht in den tiefen Raum zu laden war, der kurz hinter dem Mast in der Mitte des Schiffes lag, wurden wir aus unserem
     dunklen Gefängnis entlassen. Die Mannschaft betrank sich in manchem Hafen, doch zwei von ihnen |215| blieben immer nüchtern, und diese beiden bewachten uns. Wenn wir vor der Küste ankerten, ließ uns Sverri manchmal an Deck
     bleiben, doch dann kettete er uns aneinander, sodass niemand von uns einen Fluchtversuch unternehmen konnte.
    Meine

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