Die Herren des Nordens
reinigten den Schiffsrumpf, kratzten den Dreck, die Algen und
die Kletten ab und holten den Schmutz aus dem Kielraum. Dann breiteten wir das Segel aus, damit es vom Regen gewaschen werden
konnte, und beobachten Sverris Frau mit gierigen Blicken, als sie das Segel mit einer Nadel aus Bein und einem Faden aus Darmsaiten
flickte. Sie war stämmig, hatte kurze Beine und ausladende Hüften, und ihr rundes Gesicht war von den pockigen Narben einer
Krankheit übersät. Die Haut ihrer Hände und Arme war rot und rau. Sie war alles andere als schön, aber wir waren ausgehungert
nach Frauen und konnten den Blick kaum von ihr wenden. Sverri nutzte das zu seinem Vergnügen. Einmal zog er ihr das Kleid
über die Schulter herunter, sodass wir eine pralle |218| weiße Brust zu sehen bekamen, und lachte über unsere weit aufgerissenen Augen. Ich träumte von Gisela. Ich versuchte mir in
meinen Träumen ihr Gesicht in Erinnerung zu rufen, doch es gelang mir nicht, und von ihr zu träumen bedeutete ohnehin keinen
Trost.
Sverris Leute gaben uns Getreidebrei und Aalsuppe und grobkörniges Brot und Eintopf aus Fischen zu essen, und als der Winter
kam, warfen sie uns schlammverkrustete Felle zu, und wir kauerten uns in die Sklavenhütte und hörten auf den Wind und sahen
durch die breiten Ritzen zwischen den Stämmen dem Schneetreiben zu. Es war kalt, eiskalt, und einer der Sachsen starb. Er
hatte Fieber bekommen, und nach fünf Tagen starb er einfach, und zwei von Sverris Männern trugen seinen Körper zu dem Fluss
und warfen ihn über das vereiste Ufer ins Wasser, sodass er von der nächsten Flut davongetragen wurde. Nicht weit entfernt
erstreckten sich Wälder, und alle paar Tage wurden wir zu den Bäumen geführt. Dort bekamen wir Äxte und sollten Feuerholz
hacken. Die Ketten waren absichtlich zu kurz, sodass man mit der Axt nicht voll ausholen konnte, und sie bewachten uns mit
Bogen und Speeren, und ich wusste, dass ich tot wäre, bevor ich eine von den Wachen mit der Axt erreichen konnte, aber fast
hätte ich es dennoch versucht. Einer von den Dänen versuchte es, bevor ich es tun konnte. Schreiend wandte er sich gegen unsere
Wächter und lief unbeholfen auf sie zu, und dann traf ihn ein Pfeil, und er brach zusammen, und Sverris Männer nahmen sich
viel Zeit, um ihn zu töten. Die ganze Zeit schrie er vor Schmerzen. Sein Blut färbte den Schnee in weitem Umkreis, und sie
quälten ihn lange, um uns anderen eine Lehre zu erteilen. Also fällte ich einfach nur Bäume, hackte die Äste ab, spaltete
die Stämme mit einem Hammer und Keilen, fällte den nächsten Baum und kehrte in die Sklavenhütte zurück.
|219| «Wenn mir die kleinen Bastarde auch nur einmal zu nah kommen», sagte Finan am nächsten Tag, «dann erwürge ich die dreckigen
Pisser, das versprech ich dir.»
Ich war erstaunt, denn das war der längste Satz, den ich je von ihm gehört hatte. «Wäre besser, sie als Geiseln zu nehmen»,
schlug ich vor.
«Aber die wissen schon, warum sie außer Reichweite bleiben», fuhr er fort, ohne meine Bemerkung zu beachten. Sein Dänisch
hatte einen fremden Klang. «Du warst ein Krieger», sagte er.
«Ich bin ein Krieger», sagte ich. Wir saßen zu zweit auf einem Grasfleck vor der Hütte, von dem der Schnee weggetaut war,
und nahmen mit stumpfen Messern Heringe aus. Über uns kreischten die Möwen. Einer von Sverris Männern saß vor dem Langhaus
und behielt uns von dort aus im Auge. Über seinen Knien lag ein Bogen und neben ihm ein Schwert. Ich fragte mich, wie Finan
erraten konnte, dass ich ein Krieger war, denn ich hatte nie über mein Leben gesprochen. Auch meinen wahren Namen hatte ich
nicht genannt und sie lieber glauben lassen, ich hieße Osbert. Osbert war einmal mein richtiger Name gewesen, den ich bei
meiner Geburt bekommen hatte, aber dann wurde ich Uhtred genannt, nachdem mein älterer Bruder gestorben war, denn mein Vater
hatte darauf beharrt, dass sein ältester Sohn Uhtred heißen sollte. Doch an Bord des
Trader
benutzte ich den Namen Uhtred nicht. Uhtred war ein stolzer Name, der Name eines Kriegers, und ich würde ihn für mich behalten,
bis ich aus der Sklaverei frei käme. «Woher weißt du, dass ich ein Krieger bin?», fragte ich Finan.
«Weil du nie aufhörst, die Bastarde zu beobachten», sagte er. «Du hörst nie auf, darüber nachzudenken, wie du sie umbringen
kannst.»
|220| «Du bist genauso», sagte ich.
«Finan der Flinke, so wurde ich
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