Die Herrin der Flammen
hatte, die er zuvor nicht für möglich gehalten hätte.
Und da wurde ihm bewußt, weshalb diese Bonzen aus der Oberstadt zur Rattenfalle gekommen waren: auf Anweisung von Kamas Vater. Alle von ihnen hörten auf Tempus, einige von sich aus, andere, weil er ihr Befehlshaber war. Und keiner von ihnen hatte ein gutes Wort über Zip zu sagen, nur die Tochter des Geheimnisvollen vielleicht.
Furcht schärfte seine Augen, und er blickte hinter die versammelten Führer auf ihre Truppen und dorthin, wo seine Rebellen lauerten. Nicht einer von ihnen würde eingreifen, um ihn zu retten – dazu war die Übermacht zu groß.
Außerdem wären weder die Rattenfalle noch Zip wert, gerettet zu werden.
Während er tief atmete und beschloß, dieser Meute von ausgebildeten Kämpfern nichts zu sagen, erinnerte sich Zip, daß hier doch etwas durchaus wert war, gerettet zu werden: hinter den Männern in dem langen Schuppen befand sich ein Vorrat an Zündstoffen, die er von den beysibischen Glasmachern erstanden hatte: Flaschen, in denen sich alchimistisches Gebräu befand. Sobald die Zündschnüre brannten, wurden die Flaschen geworfen und explodierten dann mit einer solchen Gewalt, daß der Druck einer einzigen explodierenden Flasche eine ganze Straße räumen konnten – oder einen Palastsaal.
Die Revolution konnte mit oder ohne ihn fortgesetzt werden, solange die beysibischen Glasbläser VFBF-Geld nahmen und der ilsigische Kampfgeist weiterlebte.
Und nachdem er nun erkannt hatte, daß er etwas verlieren konnte, knurrte Zip aufs neue: »Redet, habe ich gesagt! Oder soll das eine Art Bankett sein?«
»Nein«, erwiderte die Blonde, die er nicht kannte. »Es ist ein Revolutionsrat – eine Verhandlung über dich!«
Als Kama von der Rattenfalle zurückkam, waren ihre Augen rot, und sie war völlig durcheinander, so daß sie Molins Hintertreppe hinaufrannte und hoffte, die Mädchen könnten ihr ein Bad richten, damit sie den Zip-Geruch abwaschen und das Stroh aus ihrem Haar entfernen konnte, bevor Fackelhalter sie sah.
Aber Molin war zu Haus. Sie konnte seine und die Stimme eines anderen Rankaners aus dem vorderen Gemach hören.
Sie erstarrte. Entsetzt wurde ihr plötzlich klar, daß sie ihm nicht gegenübertreten konnte – nicht mit klebrigen Schenkeln und dem Erbe ihres Vaters so glühend lebendig in ihr, daß sie nichts mit dem Halbrankaner, dem Halbnisi zu tun haben wollte, der ihr das Leben gerettet hatte und dem sie so viel verdankte.
Aber war Dankbarkeit dasselbe wie Liebe? Zips perfekt in Szene gesetzte »Verhandlung« hatte ihr Herz dreifach gebrochen.
Das Urteil – bedingter Freispruch – hatte von vornherein auf Tempus’ Anweisung festgestanden. Zip hatte das als einziger nicht gewußt.
Es war das grausamste, was sie je Menschen einem anderen hatte antun sehen, und sie hatte bereitwillig mitgemacht. Der Beobachter in ihr war fasziniert gewesen von den menschlichen Gefühlen, von der Leidenschaftlichkeit jener, die geliebte Menschen verloren hatten – und das alles, weil Kamas Vater von Ranke heruntergeritten war und gesehen hatte, was die armseligen Sterblichen von Freistatt anrichteten, und weil ihm das gar nicht gefallen hatte.
Manchmal haßte sie Tempus sogar noch mehr als die Götter.
Und so war sie bei Zip geblieben, nachdem die anderen gegangen waren, um den Schweiß der Unsicherheit von seinem gutgebauten jungen Körper zu wischen und die Verwirrung aus seinem Herzen – auf die einzige Weise, auf die sie es tun konnte.
Zip war… ihr Fehltritt: körperlich paßte er so perfekt zu ihr, wie Molin es nie könnte. Doch das war alles. Einen weiteren Schritt würde sie niemals gehen.
Zip brauchte Hilfe, das war alles. Alle benutzten ihn, schubsten ihn dahin und dorthin. Er tat ihr leid.
Deshalb gab sie ihm Trost in der Nacht. Es bedeutete nichts.
Und doch trieb die Erinnerung daran sie vor Fackelhalters Türschwelle in die Flucht, denn Molin war zu intelligent, er durchschaute Ausreden, und nicht einmal Kopfschmerzen könnte Kama in dieser Nacht vortäuschen.
So streifte sie durch die schwülen nächtlichen Straßen, obwohl sie es besser wußte. Fast hoffte sie, daß ein Taschendieb oder ein Untoter oder ein Beysiber sie belästigen würde. In dieser Beziehung war sie ihrem Vater sehr ähnlich: Wenn die seelische Belastung übermächtig wurde, drängte es sie nach Gewalttätigkeit. Sie hätte selbst einen Stiefsohn oder einen ihrer eigenen Kameraden getötet, wenn er es gewagt hätte, in dieser Nacht
Weitere Kostenlose Bücher