Die Herrin der Flammen
Straße, daß ihr kaum noch genug Kraft für die Treppe blieb –, ja, diesmal brachte sie einen Klumpen Metall von der Größe ihrer Faust mit. Stilcho empfing sie besorgt, fragte heftig, wo sie so lange gewesen und warum sie so schmutzig war und wieso sie so achtlos war, daß ein paar blonde Strähnen unter dem Tuch hervorlugten…
»Stilcho«, sagte sie und streckte ihm den Klumpen entgegen. Tränen rannen über ihre Wangen. Nach den Begriffen der einfachen Leuten von Freistatt war das ein Vermögen. Wo sie den Klumpen gerieben hatte, glänzte er golden im Schein der Lampe, die er während des langen Wartens auf sie angezündet hatte.
Endlich konnte sie einem ihrer verzweifelten Männer etwas wirklich Wertvolles geben, das ihr die ersehnte Zärtlichkeit sichern würde. »O Moria«, sagte er und verdarb ihr die Freude daran. »Ihr Götter! Von dort! Verdammt, Moria! Närrin!« Aber er umarmte sie und drückte sie an sich, bis es weh tat.
Das Haus am Fluß wartete. Durch das eine Fenster, dessen Laden nicht geschlossen war, warf es Licht über den Wildkräutergarten, die Bäume und Sträucher und auf die Rosenbüsche am eisernen Zaun und der Gartentür.
Im Innern, im Licht der Kerzen, die nie niederbrannten, in einem wirren Durcheinander kostbarer Seiden und prächtiger Gewänder, die, sobald erstanden, vergessen herumlagen, saß Ischade völlig in Schwarz, schwarzes Haar, schwarze Augen, schwarze Kleidung, doch in ihren Händen war Farbe: ein blauer Stein, der aus dem Feuer kam. Sie hatte ihn abwesend aus der Asche gehoben – sie war auch eine Diebin, das war ihr eigentliches Handwerk; und wenn ihre Finger durch die heiße Asche Brandwunden davongetragen hatten, so hatte der Stein rasch alle Hitze in sich gesogen und ruhte kühl in unversehrten, dunklen Fingern.
Es war das größte Stück der ehemaligen Kugel. Es war Macht. Es war von Feuer geformt, und Flamme war das Element ihrer eigenen Magie, Feuer und Geist. Es war gut, daß es sich hier befand, und es war angebracht, daß niemand in Freistatt davon erfuhr.
Hufschlag hallte dröhnend von den Wänden der Lagerhäuser gegenüber ihrem Häuschen wider, an dessen Hinterseite der Schimmelfohlenfluß vom Regen angeschwollen vorbeirauschte. Sie schloß die Hand, bis Fleisch auf Fleisch traf; und der blaue Stein war verschwunden, ein Magiertrick.
Sie öffnete die Gartentür für ihren Besucher und die Haustür, als sie seine Schritte auf den Stufen davor hörte.
»Guten Abend«, sagte sie. Er achtete nicht auf ihre Geste, Platz zu nehmen, und blieb stehen. Ganz offensichtlich wollte er die Bedingungen der Abmachung rasch erfüllen. »Setzt Euch doch«, sagte sie da. »Ihr seid mein Gast.«
»Magie!« sagte er im tiefsten Brustton. »Ich warne Euch, Weib…«
»Ich dachte…« Sie machte ihre Stimme zu einem höheren Echo der seinen und gab ihr einen Hauch Spott: »Ich dachte wahrhaftig, daß Ihr Euch besser beherrschen könnt.«
Er stand da inmitten ihrer verstreuten Seiden, den Teppichen und den Sesseln, über die wirr Kopf- und Halstücher geworfen waren. Sie schloß die Tür hinter ihm, ohne sich von ihrem Platz zu bewegen. Er starrte sie an, und ein Funke des Aufbegehrens blitzte in seinen Augen. Vielleicht war es aber auch nur das Flackern der Kerzen gewesen. »Ich hatte mehr von Eurer Gastlichkeit erwartet.«
Das Feuer war in ihr, war es immer; und es rührte sich, wuchs auf die Weise, die sie vergangene Nacht auf die Jagd geschickt hätte. »Ich habe auf Euch gewartet«, sagte sie. »Es könnte nicht schlimmer sein.«
»Keine verdammten Tricks!«
»Erfüllt Ihr so Eure Verpflichtungen? Ich kann warten, wißt Ihr. Und Ihr auch, denn wenn nicht, wärt Ihr leichte Beute für Eure Feinde. Und Ihr seid so eitel.« Sie deutete auf den Wein auf dem Tisch. »Ich auch. Möchtet Ihr? Oder wollen wir beide Tiere sein?«
Er hätte versuchen können, sie zu vergewaltigen und dann zu töten. Überraschend lächelte er.
Er kam, setzte sich ihr gegenüber und trank ihren Wein in bedächtigem Schweigen. »Wir werden abziehen«, sagte er nach einer Weile, während sie tranken und plauderten. »Wir werden die Stadt – hiesigen Schutztruppen überlassen. Meine Leute nehme ich alle mit.«
Das war eine Herausforderung. Er meinte Strat. Sie blickte ihn an und spannte die Mundwinkel kaum merklich. Ihre Hand kam um den Fuß des Weinglases zu ruhen. Seine Hand legte sich auf sie, und es war wie die Berührung von Feuer. Er saß da und ließ das Feuer wachsen. Warten,
Weitere Kostenlose Bücher