Die Herrin der Flammen
Beziehungen zu allen wichtigen Stellen: zu Moruth, dem Bettlerkönig; zu den Ratten, den Rebellen, die das Gemetzel in der Oberstadt am schwersten nehmen würden. Zip verhaftet! Das würde nicht lange so bleiben. Am günstigsten wäre, wenn er verhaftet blieb, bis jemand eine Chance hatte, vernünftig mit ihm zu reden. Walegrin am besten.
»Halt dich fern vom Ufer«, sagte Crit. Er legte eine Hand auf seinen Arm und hielt ihn kurz zurück. In früheren Monaten hätte Strat sie abgeschüttelt oder ihm brüsk geantwortet. Aber Crit kämpfte um Strats Seele, und Strat wußte es und empfand Dankbarkeit gegenüber dem Freund, der sich für eine hoffnungslose Sache einsetzte oder zumindest eine, welche die Mühe nicht wert war, die Crit sich machte. Ich bin ein Krüppel, verdammt! Du hast mich zurückgeholt, hast deinen verdammten Hals riskiert, mich herauszuholen, aber du mußt dir einen anderen Partner suchen, Crit, einen, auf den du dich im Ernstfall verlassen kannst. Du weißt es, und ich weiß es. Das Feuer brennt nieder, und ich werde nie wieder sein, was ich war, das ist mir klar, wenn ich diese Schmerzanfälle habe. Morgen werde ich es dir sagen. Wenn wir raus sind aus dieser verdammten Stadt, werde ich es dir sagen. Und du wirst antworten, daß ich ein verdammter Narr bin, aber das bin ich genausowenig, wie du einer bist. Wird Zeit, daß wir uns trennen. Daß ich mich allein durchs Leben schlage. Du brauchst mich nicht mehr verhätscheln, Crit.
Crit ließ die Hand fallen. Er machte eine besorgte Miene. Das verursachten Strats Blicke in letzter Zeit häufig. Und gewöhnlich machte das Crit wütend, während andere Provokationen nichts nutzten. Diesmal stand er nur da.
»Du kannst dich darauf verlassen«, sagte Strat, »daß ich mir auf dem Rückweg ein paar Stunden Zeit nehmen werde. Ich muß ein paar Beziehungen spielen lassen.« Er hängte sich das Zaumzeug über die Schulter und warf die Decke über den Rücken des Braunen, ohne länger als unbedingt nötig auf den münzgroßen Fleck an der Hüfte des Pferdes zu blicken. »Vielleicht rede ich mit ihr. Ich nehme an, daß ich auch wieder herauskomme. Es ist abgekühlt. Sie hat ihre Wahl getroffen, ich habe meine getroffen.« Er legte den Sattel auf, ohne daß der Braune sich rührte. Er hätte eine Statue sein können, die wie ein Pferd atmete und roch. »Sie schläft sich durch. Wir haben Leichen, die es beweisen.«
»Sei kein verdammter Narr!«
»He!« Er drehte den Kopf und blickte Crit an. »Überlass’ mir, was ich tue. In Ordnung? Du bist nicht meine Mutter.«
Crit schwieg.
Verdammter Fehler, Crit. Sag’s doch. Mein Verstand ist wie die verdammte Schulter, unberechenbar. Ich kann nicht denken, weiß nicht, wann ich zuschlagen und wann ich ausweichen soll.
Sie hat sich einen anderen Liebhaber angelacht. Einen, gegen den ich nicht ankomme, oder?
Ich kann zu ihr gehen und wieder wegreiten. Du weißt nicht, wie leicht das ist. Ich habe sie auf der Straße gesehen, Crit. Wie die anderen Huren. Mit einem Fluch, der tötet.
Er legte dem Braunen das Zaumzeug an, schnallte den Sattelgurt fest und schwang sich auf den Braunen, ohne daß seine Schulter sich auflehnte. »Bis später«, sagte er und ritt zum Tor.
»Wo?« fragte Tempus heftig. Er war eben erst auf dem Hügel, eben erst in Molins Studiergemach angekommen. Es war auch für Molin kein guter Tag, aber für Tempus versprach es ein noch schlimmerer zu werden. »Wann und wer?«
»Ungefähr sechs von den Vobfs. Zip hat überlebt. Er ist zu seiner eigenen Sicherheit eingesperrt. Walegrin wird mit ihm reden müssen.«
»Wer hat es getan?«
Molin holte Atem und sagte es ihm.
Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen. Das Unbehagen hielt an und raubte ihr die Lust an tiefsinnigen Betrachtungen. Ischade blieb zu Hause. Ihr Haar war makellos, der Schmutz von ihrer Haut gewaschen, die Rosen des zertrampelten Busches, die noch zu retten gewesen waren, standen in einer Vase auf dem Tischchen, nicht ihrer Schönheit wegen (sie waren schwarz und die Wassertropfen auf ihren Blütenblättern leuchteten blutrot in einem bestimmten Licht), sondern zur Erinnerung an eine Aufgabe, die sie in ihrer gegenwärtigen Stimmung und mit ihrem Kopfweh nicht ausführen wollte.
Sie hatte, was sie selten tat, eine Bestandsaufnahme ihrer Sachen gemacht und ein wenig aufgeräumt. Haught hatte immer alles in Ordnung gehalten. Stilcho hatte es versucht. Sie vermißte sie mit einer rührseliger Schwermut, die beide sehr überrascht
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