Die Herrin der Kathedrale
Ostgrenze galt es nun, sich dem Kaiser als Reichsbewahrer zu präsentieren. »Auch das übernehme ich!«, sagte er, bevor ihm einer der Anwesenden zuvorkommen konnte.
Hermann nickte dankend. »Männer«, sprach er und blickte dabei den Ritter mit dem verletzten Augenlid und zwei weitere Gefolgsleute an. »Reitet Ihr mit dem Grafen von Ballenstedt! Wir sollten nicht ungeschützt in die grenznahen Städte ziehen.«
Die Angesprochenen nickten.
»Wir müssen den Kampfwillen unserer Leute stärken«, sprach Hermann weiter. »Sonst haben wir keine Chance. Sie fallen völlig vom Glauben ab, wenn der Feind weiter ungehindert vordringen kann. Wir müssen ihren Glauben an den Sieg und an Gottes Führung stärken. Die Kraft im Körper wird durch den Willen des Geistes und der Seele gelenkt.«
Unruhige Seelen sind sie, dachte Uta, die den irdischen Frieden, die Bedingung für den ewigen Frieden, noch nicht gefunden haben, weil sie von Gefühlen wie Zorn und Wut beeinflusst werden. Auch ihre Seele gehörte zu den unruhigen.
»Wir werden Messen für die Verwundeten lesen!«, warf Bischof Hildeward von Zeitz mit inzwischen dunkelrot geflecktem Gesicht ein.
»Aber das tun wir bereits«, meldete sich Abt Pankratius, der dem Georgskloster vorstand.
»Wir müssen den Männern Mut zusprechen«, beharrte Ekkehard.
»Wir intensivieren beides«, entschied Hermann. »Uta?« Überrascht schaute Uta zu Hermann und spürte nun auch die Blicke der anderen auf sich.
»Bruder, du erlaubst?«, sprach Hermann noch an Ekkehard gewandt, während er vor Uta trat. »Wir benötigen jedermanns Unterstützung.«
»Wobei kann uns die Gattin denn unterstützen?«, fragte Ekkehard verwundert.
Hermann antwortete, indem er eine Bitte an Uta richtete:
»Gräfin, würdet Ihr Bittschreiben an die Geistlichen des Reiches aufsetzen, in denen Ihr in unser aller Namen um Unterstützung gegen die polnische Bedrohung ersucht? Sie sollen schnell nach Naumburg kommen. Wir werden all unsere Kämpfer hier versammeln und sie mit geballter Macht auf Gottes Sieg einschwören. Ich bin zuversichtlich, dass der Kaiser uns dabei helfen wird, mit Gottes Segen und weiteren Kämpfern.«
Energisch trat Ekkehard neben den Bruder. »Ich werde das Heerlager hier auf den Naumburger Wiesen organisieren und die Eintreffenden auf den Kampf vorbereiten!«
Hermann nickte und blickte fragend in Utas Richtung, die ihm gerade hatte antworten wollen, als Ekkehard ihr mit seinem Einwurf zuvorgekommen war.
»Sehr wohl, Markgraf«, entgegnete Uta ruhig auf seinen Blick hin. Im nächsten Moment begannen ihre Gedanken auch schon, die passenden Worte für die Bittschreiben aneinanderzureihen.
»Habt Dank, Gräfin!« Hermann nickte zuerst ihr und dann Ekkehard zu, bevor er sich erneut an die Runde wandte.
»Lehnsleute des Kaisers, Christen, wir haben keine Zeit zu verlieren! Unser aller Land ist in Gefahr!«
Die Umstehenden gingen auf die Tür des Burgsaales zu, während Ekkehard vor Uta trat und ihren flachen Bauch fixierte.
»Ich hoffe, dass Euch die neue Aufgabe nicht davon abhält, Euren Körper für die nächste Aufnahme meines Samens vorzubereiten.«
Trotz des beruhigenden Gedankens an die Herrgottsgnade zuckte Uta zusammen. Dann deutete sie pflichtbewusst eine Verbeugung an.
»Ich erwarte Euch heute Abend!«, drängte Ekkehard mit befehlsgewohnter Stimme und verließ mit einigen seiner Kampfgefährten den Saal.
Uta schaute dem Gatten nach.
»Der Schleier kleidet dich hervorragend, Schwesterlein«, hörte sie da Esikos Stimme hinter sich. Geräuschlos war er an sie herangetreten.
Uta straffte sich.
»Du möchtest also unser Heer unterstützen. So, so!«, sagte er so nahe an ihrem Ohr, dass sie seinen warmen Atem spürte.
»Die Naumburger Brüder müssen töricht sein, dir politische Aufgaben zu übertragen.«
Uta wagte nicht, sich zu bewegen.
»Du solltest dir besser ein Beispiel an unserem Hazechalein nehmen, die auf dem besten Weg zur göttlichen Gehorsamkeit ist.«
»Du warst bei ihr?«, fragte Uta hoffnungsvoll.
Esiko grinste, als er das unterdrückte Zittern in ihrer Stimme wahrnahm. »Richtig. Ich war bei unserer kleinen Schwester. Aber den Besuch hätte ich mir auch sparen können.«
Uta drehte sich zu Esiko um und blickte ihm fest in die Augen. »Wieso, was weißt du? Was ist mit Hazecha?«
»Sie spricht nicht mehr und möchte keinerlei Kontakt zur Außenwelt haben«, flüsterte er, ohne von ihr abzurücken. »Sie hat mich nur immerzu entrückt angestarrt.
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