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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Na ja, auf diese Weise wagt sie es wenigstens nicht, ihre Stimme zu erheben.«
    In Uta arbeitete es heftig. Keinerlei Kontakt? Würde damit auch ihr jüngster Brief unbeantwortet bleiben?
    »Sie kommen«, tönte es da von draußen. »Die Heiden reiten ein!«
    Völlig außer Atem kam ein Kämpfer in den Burgsaal gerannt:
    »Herr, die Liutizen reiten in die Vorburg!«
    »Ich komme«, antwortete Esiko ruhig. Doch anstatt seinen Worten Taten folgen zu lassen, betrachtete er seine aufrecht vor ihm stehende Schwester eindringlich. Als sie sich nicht regte und ihren festen Blick nicht von ihm nahm, deutete er auf der Höhe ihres Halses mit seiner Handkante kurz eine Klinge an und ließ sie dann mit einem maliziösen Lächeln stehen.
    Uta schluckte. »Hazecha, Kleine.« Sie barg das Gesicht in den Händen. »Du möchtest keinen Kontakt mehr zu mir? Habe ich etwas falsch gemacht?«
    Niedergeschlagen begab sie sich in die Schreibkammer.
    Selten war ihr ein Name treffender erschienen: Herrgottsgnade. Der H-e-r-r-g-o-t-t möge sie beschützen, nachdem sie den Aufguss getrunken hatte, und sich ihrer Schmerzen g-n-ä-d-i-g annehmen, sobald sich der Gatte auf sie legte.
    Uta zog die Schale mit den getrockneten Blättern des Krautes unter ihrer Bettstatt hervor und schickte Katrina, heißes Wasser aus der Küche zu holen. Sie löste die Klammern des Schleiers, drehte die wertvollste mit dem Adler kurz in den Fingern, so dass ihr und Ekkehards Name darauf verschwammen, und legte sie neben die Schale. Mit einer Fingerspitze des berauschenden Krauts und dem heißen Wasser bereitete sie in einem Becher einen Aufguss, den sie in einem Zug austrank. Danach sprach sie ein Gebet für die Schwestern des Benediktinerklosters, die sie mit der Herrgottsgnade versorgt hatten und die sie erst vor wenigen Tagen noch einmal besucht hatte, um sicherzustellen, dass die in Auftrag gegebenen neuen hölzernen Regale und Lagerstätten für die Kammern der Krankenstation auch allesamt übergeben worden waren und den Wünschen der Schwestern entsprachen. Als Katrina ihr ein leichteres Gewand für die bevorstehende Vereinigung anlegte, spürte Uta, wie ihre Atmung mit jedem Zug langsamer und tiefer, ihr Körper schwerer wurde.
    Nachdem sie das Ehegemach betreten hatte, ließ sie sich auf der Bettstatt nieder, auf der es sich Ekkehard bereits völlig unbekleidet bequem gemacht hatte. Als er sie nach dem Entkleiden bestieg, erschien er ihr noch rücksichtsloser als beim ersten Mal. Seine Stimme hatte einen Befehlston angenommen und zwischendrin nippte er immer wieder an seinem süßen Wein. Glücklicherweise drangen Ekkehards einsilbige Anweisungen und sein Stöhnen nur wie aus weiter Ferne zu ihr. Sein mechanisches Auf und Ab brachte sie dazu, sich einfach nicht mehr zu bewegen. Kurz nachdem er sich in ihr ergossen hatte, schlief sie, entführt von einem mystischen Farbspiel vor ihren Augen, ein.
    Als sie am Folgemorgen erwachte, konnte sie sich kaum noch an den zurückliegenden Pflichtendienst erinnern. Dennoch war ihr Blick klar, das Farbspiel vergangen. Auch sonst schien ihr Körper durch die Einnahme des Tranks keinen Schaden genommen zu haben: Es machte sich kein Stechen in den Schläfen oder im Kopf bemerkbar. Uta erhob sich, streifte das leichte Gewand vom Vorabend über und eilte zurück in ihre Kemenate.
    Dort angekommen, ließ sie sich von Katrina ein Tageskleid anlegen, befestigte den Ehe-Schleier mit der aufwendig gearbeiteten Silberspange über dem linken Ohr, griff nach zwei einfacheren Spangen für die rechte Schläfe und holte ihre Schreibutensilien unter dem Bett hervor. Mit klarem Kopf begann sie, auf der Gewandtruhe sitzend, das zehnte Bittschreiben für die Boten zu verfassen. Die ersten neun hatte sie noch am vergangenen Tag geschrieben.
    Getränkt vom Blut ihrer Träger rosteten die Rüstungen in der Sommersonne. Mehr als eintausend Mann hatten sich inzwischen auf den Naumburger Wiesen im Saaletal versammelt – achthundert Gottesfürchtige und in einigem Abstand von ihnen noch einmal dreihundert andersgläubige Liutizen. Nach ihrer Ankunft vor einem halben Mondumlauf hatten diese den fernen Kaiser wissen lassen, dass ihre Kräfte aufgebraucht und sie gekommen waren, um ihm ein Bündnis gegen die polnischen Wüstlinge anzubieten. Inzwischen war die Botschaft nach Naumburg getragen worden, dass König Mieszko nach Meißen – dem wichtigsten strategischen Punkt in den Grenzmarken – zog. Damit waren sämtliche Burgen an der oberen Elbe

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