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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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die Baustelle eine Antwort darauf geben können, warum die Arbeiter ausblieben?
    Uta betrat die Vorburg, die eher einem Geisterfriedhof als einer emsigen Baustelle glich. Etwas östlich des neuen Bauwerks erkannte sie Meister Tassilo an seinem kahlen, glänzenden Schädel. Neben ihm stand ein junger Bursche, beladen mit allerlei Hölzern und Pergamenten.
    »Hier vor diesem Mauerstück sollen die neuen Unterkünfte der Domherren entstehen«, wandte sich der Meister an den Burschen und stieg über ein paar Gesteinsbrocken. Dann erblickte er Uta, die auf ihn zukam, und verneigte sich. »Gräfin, guten Morgen.«
    »Auch ich wünsche einen guten Morgen, Meister«, entgegnete sie.
    Tassilo hielt inne. »Wie kann ich Euch helfen?«
    »Ich möchte die Baustelle kennenlernen und wissen, wie Fundamente, Mauerwerk, Dach und Feinheiten wirklich aussehen. In der Praxis, meine ich. Nicht nur vom Schreibtisch aus.«
    Mit einem Schmunzeln streifte der Werkmeister Utas seidenes Gewand. Dann sah er jedoch den Glanz in ihren Augen und nickte. »Wir wollen die neuen Wohnhäuser für die Domherren abstecken. Solange der Großteil der Steinbrecher noch fehlt, können wir zumindest weitere Vermessungsarbeiten durchführen«, erklärte er und schob mit dem Fuß einige Brocken Erde beiseite. »Die Gesteinsreste hier müssen weggebracht werden.«
    Daraufhin ging Uta in die Knie und begann, einige kleinere Steine in das zu einer Schürze geraffte Oberkleid zu laden.
    »Nicht von Euch, Gräfin!«, sagte Tassilo ungewollt streng und wandte sich dem Lehrburschen zu. »Matthias, lauf ins Gesindehaus und schick die Tagelöhner her. Sie sollen gleich mit dem Abtransport der Steine beginnen. Meister Joachim soll sie anleiten.«
    »Jawohl, Herr!«, bestätigte Matthias und legte das Pergament und die Holzleisten auf dem Erdboden ab.
    »Gebt das doch mir!«, forderte Uta den Lehrjungen auf, der daraufhin unsicher zu Meister Tassilo blickte.
    »Ist schon gut, Matthias«, beschwichtigte Tassilo den sichtlich irritierten Jungen.
    »Ich wollte nur nicht, dass Ihr zu schwer … Gräfin«, erklärte Matthias sein Zögern. Mit einer ungelenken Verbeugung übergab er Uta Latten wie Pergamente und rannte auf die Behausungen der Tagelöhner zu.
    »Unsere Pläne sehen vor, die Häuser dreigeschossig zu bauen«, sagte Uta und stieg mit ihren halbhohen weichen Lederschuhen über die Steine.
    »Seid vorsichtig!«, mahnte der Werkmeister. »Die Gesteinsbrocken sind sandig und glatt.«
    »Natürlich«, versicherte Uta leichthin und beschleunigte ihren Schritt. Die Holzlatten in ihren Händen eigneten sich vortrefflich zum Ausbalancieren des Gleichgewichts.
    »Die dreigeschossigen Häuser bauen wir dreißig Fuß breit. Dann bleibt noch genügend Platz für die Bauhütten, würde ich vorschla…« Mit aufgerissenen Augen sah Tassilo Uta abrutschen und unsanft mit dem Gesäß auf einer Gesteinskante landen. Sofort eilte er an ihre Seite. »Gräfin, ich lasse gleich einen Medikus rufen.«
    »Bitte tut das nicht!« Der Steiß und die linke Hand, mit der sie den Sturz abzufangen versucht hatte, schmerzten. Mit zusammengebissenen Zähnen stand Uta auf. »Es geht schon wieder«, sagte sie und klopfte sich das mit Staub beschmutzte Obergewand ab. An ihrem geschwollenen Ellbogen erkannte sie eine Schürfwunde und zog schnell ein Stück des Ärmelstoffes darüber. »Wir können doch nicht bei jeder Baubegehung einen Medikus mitführen!«
    »Ich habe verstanden, Gräfin«, bestätigte Tassilo, der sich trotz all seiner Jahre nicht in der Lage fühlte, Uta einen Wunsch abzuschlagen. »Dann bringen wir nun die Maße an.« Darauf ergriff er eines der Kanthölzer und begann, auf dem Boden Linien zu ziehen. Dabei schaute er immer wieder zu Uta, um sicherzugehen, dass sie sich auch wirklich nicht ernsthaft verletzt hatte.
    »Herr, wird sind hier, um das Gestein wegzuschaffen«, traten da unter Matthias’ Führung vier Tagelöhner vor den Bauschutt. Die Männer starrten die in verdreckten Gewändern neben dem Werkmeister stehende Frau an.
    »Ladet die Steine auf die Karren und bringt sie vor die Gräben des Chores«, überging Tassilo die verdutzten Gesichter der Arbeiter. »Meister Joachim zeigt Euch alles.«
    Da kam der Maurermeister, der Tassilo von Hildesheim auf die Naumburger Baustelle gefolgt war, auch schon angelaufen.
    »Und schließt bitte die Münder, ansonsten könnte unsere Burgherrin Gefahr laufen, von euch verschlungen zu werden«, setzte Tassilo nach und musste

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