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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Gefangenen! Mieszko muss geräuschlos gewütet haben und unglaublich schnell wieder abgezogen sein. Wir konnten nicht mal mehr seine Nachhut ausmachen.«
    »Wie kann ein Gefangenentross mit neuntausend Männern schneller vorankommen als ein bewegliches, ritterliches Grenzheer?«, grübelte Bischof Bruno von Merseburg laut. Der Knappe zuckte irritiert mit den Schultern. Uta nickte ihm verständnisvoll zu, während sich die Runde langsam dem Tisch näherte und nun wenige Schritte vor ihnen stehen blieb.
    »Wart Ihr dabei?«, fragte sie vorsichtig.
    Mit weit aufgerissenen Augen schüttelte der Knappe den Kopf. »Ich bin der schnellste Reiter im Gefolge des Grafen Esiko. Er schickte mich mit der Botschaft zum Kaiser.«
    »Und der hat Euch zu uns geschickt, richtig?«, fragte Bischof Bruno.
    »Hier!«, sprudelte es urplötzlich aus dem Knappen heraus, »hier sollen die Herzen der Toten unter die Erde kommen – so wünscht es seine kaiserliche Hoheit. Zum Fest des heiligen Wendelin wird ein Teil des Heeres zur Messe anreisen, lassen Kaiser und Heerführer ausrichten. Im nächsten Jahr soll es dann einen zweiten Feldzug gegen Mieszko geben.«
    »Ein zweiter Feldzug!«, zischte jemand in der Runde.
    Uta rechnete: Damit blieben ihnen für die Vorbereitung der Messe noch sechzig Tage.
    »Graf Esiko sagt«, fuhr der Knappe nun schneller fort, glücklich, seine Sprache wiedergefunden zu haben, »dass die Grenzgebiete nicht länger als fünfzehn Tage unbewacht bleiben dürfen. Die Messe soll schnell gelesen werden, damit die Kämpfer unverzüglich wieder zurückkehren können, um die Grenze zu sichern.« Nach diesen Worten sackte er kraftlos in sich zusammen.
    Hermann ging zum Tisch und legte seine Hand vorsichtig, aber bestimmt auf die Schulter des Jungen: »Jetzt stärkt Euch erst einmal, und in der Zwischenzeit bereiten wir Euch ein Lager.«
    »Danke für Euren Mut«, sagte Uta zu dem Jungen und strich ihm ein letztes Mal über den Rücken.
    Mit scheinbar letzter Kraft stand der Knappe auf und folgte zwei Mägden, die ihn und seine Mitstreiter, welche bereits im Hof zusammengebrochen waren, in eine der Gästekammern geleiteten.
    Uta schaute zu Hermann und erkannte, dass er die gleiche Grüblerpose eingenommen hatte wie Meister Tassilo neben ihm.
    »Es sind die Liutizen!«, ereiferte sich Bischof Hildeward wie schon einmal. »Diese Heiden sind für den Rückschlag verantwortlich! Der Allmächtige lässt uns damit wissen, dass wir nur ohne diese Ungläubigen siegreich sein werden!«
    »Das Heer braucht Verstärkung«, sagte einer der Ritter in die gespannte Stille hinein. »Die meisten haben das Fiasko des letzten Feldzuges gegen die Polen noch immer nicht überwunden. Für Kämpfe gegen Ungarn, die wegen Grenzstreitigkeiten ebenfalls anstanden, hat der Kaiser kaum Männer finden können. Der schmähliche Abzug aus Bautzen und der polnische Feind – in deutlicher Unterzahl, doch trotzdem überlegen – untergraben ihren Mut und ihren Glauben. Sie fürchten diesen Teufel!«
    Hermann und Meister Tassilo nickten. Ein Stimmungsumschwung war keine gute Ausgangslage für einen zweiten Feldzug gegen König Mieszko.
    »Zuallererst müssen die Heiden weg!«, beharrte der Bischof. Uta schaute von Hermann zu Hildeward, dessen schrille Worte ihr im Ohr gellten. Sie hatte ihn eine ganze Weile nicht gesehen, da er die letzten Messen von einem der Domherren hatte lesen lassen. Hildeward schien ihr entkräftet und noch magerer als früher, seine Stimme noch unangenehmer.
    »Ihr habt recht«, sagte Hermann und wandte sich unter dem brennenden Blick des Bischofs dem Ritter zu. »Wir müssen alles daransetzen, dass das Heer seinen Glauben an die göttliche Unterstützung und den Sieg nicht verliert.« Er schaute zu Meister Tassilo, der in gedanklichem Einvernehmen mit dem Markgrafen fortfuhr: »Unsere neue Kathedrale wird die Kämpfer stärken. Sie sollen nach Naumburg kommen, sehen wie sie wächst und neue Kraft aus dem Anblick des heiligen Schleiers ziehen!«
    »Nein!«, zischte Bischof Hildeward. »Eine Baustelle kann keinen Mut verleihen!«
    Hermann und Meister Tassilo nickten sich erneut zu. »Da mögt Ihr nicht ganz unrecht haben, Exzellenz«, erwiderte Hermann. »Deshalb sollten wir ernsthaft überlegen, am Tage des heiligen Wendelin nicht nur eine Messe zu lesen und die Kämpferherzen aus dem ersten Feldzug gegen Mieszko im Kathedralraum zur letzten Ruhe zu betten, sondern …«
    »… gleichzeitig auch den Ostchor zu weihen!«, beendete

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