Die Herrin der Kathedrale
Burgherrin zu sehen. Obwohl sie die Baustelle seit dem Verbot ihres Gatten nicht mehr betreten hatte, war ihr Einsatz für die Kathedrale unverzichtbar. Noch im vergangenen Jahr waren dem Meißener Markgrafen auf ihre Anfrage hin für seine treuen Dienste an der Naumburger Kirche vom Kaiser mehrere Höfe bei Balgstädt mit den dazugehörigen Wäldern samt Jagd- und Rodungsrechten überschrieben worden. Dem Einsatz der Burgherrin war es auch zu verdanken, dass die Baustelle stets mit Holz versorgt war. Das Holz wurde an der Unstrutschleife nahe Balgstädt eingeschifft und auf diesem Weg bis zur Saalemündung nahe der Burg gebracht.
»Ach ja«, erinnerte sich Hermann da und trat vor Uta. »In den nächsten Tagen erwarten wir die neue Äbtissin des Moritzklosters. Würdet Ihr sie über die geplante Messe informieren und uns ihrer Unterstützung versichern?«
»Sehr gern, Markgraf«, gab Uta zurück. Sie war froh, dass Schwester Margit endlich Entlastung erhalten würde. »Die Benediktinerinnen könnten die Weihmesse mit ihren Stimmen begleiten. Ihr Gesang ist einzigartig. Er würde unsere kaiserliche Hoheit und die Kämpfer sicherlich erfreuen.«
»Sehr gut«, antwortete Hermann. »Dann bittet die neue Äbtissin gleich um die dementsprechenden Vorbereitungen.«
»In sechzig Tagen wird alles bereit sein«, versicherte Uta. Hermann schaute zu Boden, denn in sechzig Tagen würde auch der Bruder wieder an Utas Seite zurückkehren.
Begleitet von Katrina und zwei Bewaffneten ging Uta am Rande der Baustelle entlang. Die Arbeiter verbeugten sich vor ihr, Lehrjunge Matthias winkte ihr zu. Als sie sich unbeobachtet fühlte, blickte sie in Richtung des Ostchores. Der Arm des Polyspastos war bereits bis auf zwei Fuß hinter den Mauern verschwunden. Auch wenn ihnen nur noch ein Mondumlauf Zeit blieb, bis Kaiser und Kämpfer für die Weihe eintrafen, würden sie den Bau rechtzeitig fertigstellen, dessen war sie sich sicher. Sie spürte, dass Gott an ihrer aller Seite war, und beschleunigte ihren Schritt.
Am Tor des Moritzklosters angekommen, wies sie die Bewaffneten an, auf sie zu warten, und begab sich dann geleitet von der Schwester, die den Portaldienst versah, zur Kammer der Äbtissin.
»Katrina, lauf zur Krankenstation und lass dir etwas Herrgottsgnade und süßen Honigwein geben«, bat sie und versuchte, nicht weiter an Ekkehards Rückkehr und die fleischliche Vereinigung zu denken. »Schwester Annika kennt mein Begehr.«
Katrina nickte und eilte davon.
»Äbtissin, die Burggräfin wünscht, Euch zu sprechen«, sagte die Schwester in die Kammer hinein und trat einen Schritt beiseite, um Uta gleichfalls Zutritt zu gewähren.
Uta betrat die Zelle, in der Schwester Margit sie zuletzt empfangen hatte, und erblickte eine schlanke Frau hinter dem Schreibtisch.
Die Frau schob einige Pergamente beiseite und schaute dann auf. Als sie Uta erblickte, gefror das Lächeln in ihrem Gesicht.
Auch Uta erschrak. Sie sah die gleiche Person mit dem gleichen dünnen Hals, die ihr vor vielen Jahren das Leben in Gernrode so schwergemacht hatte. »Notburga von Hildesheim«, sagte sie, weil dies das Erste war, was ihr einfiel, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.
»Äbtissin Notburga, bitte!«, verbesserte sie diese und erhob sich.
»Äbtissin Notburga«, betonte Uta und ließ ihren Blick über das Haarband gleiten, an dessen Stelle sie bei einer Klostervorsteherin eher einen Schleier erwartet hätte, »ich bin gekommen, um Euch hier auf dem Burgberg zu begrüßen.«
Die Ballenstedterin ist also tatsächlich die Burgherrin dieser großen Anlage mit dem heiligen Schleier der Plantilla!, schlussfolgerte Notburga mit verkniffener Miene und trat hinter dem Tisch hervor und auf Uta zu. »Erzbischof Humfried und Äbtissin Adelheid haben mich dazu auserkoren, die Führung der unerfahrenen Seelen hier zu übernehmen«, erklärte sie mit dem ihr eigenen Hochmut.
Im ersten Moment stockte Uta. Die Hildesheimerin sollte Seelen auf den richtigen Weg führen? Dann aber schluckte sie die Bemerkung, die ihr schon auf der Zunge lag, hinunter und meinte nur: »Das freut mich, Äbtissin Notburga.«
Notburga nahm Utas Erwiderung mit einem knappen Nicken entgegen und versuchte zu lächeln.
»Ich schätze Euer Bestreben, die Arbeit von Schwester Margit fortzuführen. Sie hat die Krankenstation zu dem gemacht, was sie heute ist«, kam Uta nun auf ihr Anliegen zu sprechen.
»Womit kann ich Euch helfen?«, fragte die Hildesheimerin spitz, während sie
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