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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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nutzen, Bruder.«
    Statt einer Antwort richtete Ekkehard seine Armbrust punktgenau auf das Herz des Tieres. Die hervortretenden Adern an seiner Stirn verrieten, dass er sich auf die Bewegungen des Tieres konzentrierte, das gerade einen Schritt ins Gras machte und die Umgebung nach allen Seiten hin absuchte. »Wessen Fähigkeiten?«, fragte Ekkehard mit gedämpfter Stimme und sah, dass das Tier plötzlich regungslos verharrte. Sollte es sie gehört haben? Wie auch immer. Es war der einzig richtige Moment, um seinen Pfeil abzuschießen.
    »Die Fähigkeiten von Uta von Ballenstedt«, erklärte Hermann aufgebrachter als beabsichtigt.
    Als der Bolzen Ekkehards Armbrust verließ, war das Schmaltier bereits ins nahe Dickicht geflüchtet. »Verdammt, Hermann!«, entfuhr es Ekkehard. Er schaute den Bruder vorwurfsvoll an.
    »Musst du ausgerechnet in diesem Moment reden?«
    »Warum ich ausgerechnet jetzt davon reden muss?«, fragte Hermann, von so viel Ignoranz überrascht. »Weil du, ich, unser Vater, das Heer und der Kaiser, weil wir alle auf die rechtzeitige Fertigstellung der Kathedrale angewiesen sind!« Ekkehard legte die Armbrust beiseite und erhob sich. Auch er wollte die Kathedrale für das eigene Seelenheil und das des Vaters fertiggestellt wissen. »Aber was hat die Gattin mit alldem zu tun?«, fragte er ahnungslos und erinnerte sich dabei an die zurückliegende eheliche Vereinigung, die ihn wahrlich Überwindung gekostet hatte. Er mochte sein Weib nicht mehr berühren; überhaupt drängte es ihn seit geraumer Zeit nicht mehr zu fleischlicher Vereinigung.
    »Jeder kluge Kopf wird dringend für den Bau gebraucht! Und das nicht nur für die Organisation!«, erklärte ihm Hermann, nachdem er sich ebenfalls erhoben hatte.
    »Kluger Kopf?« Ekkehard spähte zu den zwei Birken, zwischen denen die Hirschkuh noch vor kurzem gestanden hatte.
    »Ist dir verborgen geblieben, dass sie den Federkiel wie niemand sonst zu führen weiß?« Hermann schüttelte entgeistert den Kopf, als Ekkehard darauf nur mit den Schultern zuckte, dann fuhr er jedoch energisch fort: »Sie warb die Handwerker in unzähligen Briefen an. Sie schrieb an die Großen des Reiches, bat sie, zur Grundsteinlegung und zur Chorweihe zu kommen, und sie taten es auch. Sie war die Schreiberin unserer Kaiserin!« Die letzten Worte waren Hermann so leidenschaftlich über die Lippen gekommen, dass er sich nun verlegen räusperte.
    Widerwillig ließ Ekkehard von den Birken ab und sah den Bruder an, der nun in sachlicherem Ton fortfuhr: »Wenn Meister Tassilo weiter jede Nacht durchzeichnet und nur während der Essenspausen schläft, trifft ihn bald der Schlag.
    Uta könnte ihm helfen, weitere Bauzeichnungen zu erstellen.«
    Fassungslos entgegnete Ekkehard: »Ich möchte nicht, dass die Gattin eine Tätigkeit ausübt, für die Gott einen Mann vorgesehen hat!«
    Hermann legte seine Hände vertrauensvoll auf Ekkehards Schultern. »Bruder, sie kennt die Gewerke und die architektonischen Grundlagen, die sie für das Bauzeichnen benötigt. Meister Tassilo würde durch sie erheblich entlastet werden.« Ekkehard begann, mit dem Fuß im Gras zu scharren. Verunsichert schaute er zu seinem älteren Bruder auf. Der kannte diesen Blick und wusste, dass er nicht mehr weit davon entfernt war, den Jüngeren zu überzeugen. »Hast du während der Weihe einmal in die Augen unserer, nein … deiner Kämpfer geblickt?«
    Ekkehard versuchte, sich zu erinnern. Ja, er hatte die Kämpfer gesehen. »Sie waren erfreut, wenn es das ist, was du meinst.«
    »Ich meine viel mehr als das, Ekkehard. Sie haben ihre Seele der Kathedrale verschrieben!«, erklärte Hermann leidenschaftlich. »Und sie können sich nichts anderes als die baldige Vollendung ihres Gotteshauses vorstellen. Und …«, Hermann fuhr nun betont langsam fort, »es ist unsere Familie, die dieses Wunderwerk ermöglicht.«
    Nachdenklich nickte Ekkehard.
    »Überdies steht die Kathedrale in der Mark, die eines Tages auf dich übergehen wird«, setzte Hermann nach, »wegen dieser Kathedrale blickt das gesamte Reich bewundernd auf uns, auf dich, Ekkehard, den zukünftigen Markgrafen.«
    Für einen Augenblick gab sich Hermann seiner Vorstellung hin. Er sah den Burgberg und mittendrin die Kathedrale.
    »Der Name unserer Familie wird damit für immer mit der kaiserlichen Macht verbunden sein«, sagte Ekkehard berauscht.
    Beklommen nahm Hermann die Hand von der Schulter des Bruders. Die Vorstellung von der Zukunft, die sie beide mit der

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