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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Kathedrale verbanden, hätte unterschiedlicher nicht ausfallen können. War es die Nähe zur Macht, die den Bruder so verändert hatte? Oder war gar er selbst ein anderer durch die Anziehungskraft des steinernen Bauwerks geworden? Jedenfalls hatten sie sich voneinander entfernt. Seit längerer Zeit schon hatten sie ihre einstige Vertraut- und Offenheit im Umgang miteinander verloren.
    »Du sprichst bedeutungsvolle Worte«, holte Ekkehard ihn aus seinen Gedanken zurück.
    Hermann blickte den Bruder erwartungsvoll an und sah doch in Gedanken einzig und allein Uta: wie sie während der Messe so anmutig und so nahe bei ihm gestanden hatte. Kaum mehr als ein Dutzend Handbreit von ihm entfernt.
    Ekkehard trat einen Schritt um den Bruder herum. »Ich will nicht, dass mein Weib auf der Baustelle herumläuft und sich mit dem Gesinde und den Handwerkern abgibt, als sei sie ihresgleichen.«
    Ekkehards Worte schmerzten Hermann, weil er von Uta sprach wie von einem Gegenstand. »Sie wird ausschließlich in der Kammer, die Meister Tassilo und ich zum Arbeiten nutzen, zeichnen«, versicherte er. »Du brauchst dich also nicht zu sorgen! Außerdem bin ich überzeugt, dass es keine Sünde ist, wenn eine Frau den Bau unterstützt.«
    Ekkehard schaute den Bruder prüfend an. »Du setzt dich sehr für sie ein.«
    »Ekkehard, wir haben den Kämpfern eine Kathedrale versprochen, und der Vater wäre sehr stolz auf dich!«, entgegnete Hermann. »Schließlich werden wir ihn umbetten, sobald der letzte Hammerschlag am neuen Gotteshaus verklungen ist.«
    Ekkehard grübelte. Er fand Gefallen daran, dem Bruder eine Bitte zu gewähren. »Dann soll es so sein!«, verkündete er schließlich gönnerhaft. »Die Gattin arbeitet jedoch ausschließlich vom Turm aus. Sie wird keinen Fuß auf die Baustelle setzen!« Nie wieder wollte er dadurch blamiert werden, dass sein Weib dreckig und hemdsärmelig wie eine Magd vor ihn und seine Gefährten trat.
    Hermanns Gesichtszüge entspannten sich. »Die Seele unseres Vaters wird es dir danken.«
    »Ob es eine Sünde ist, wird die Zeit zeigen – aber schließlich ist es ihr Seelenheil, das auf dem Spiel steht!«, ergänzte Ekkehard, als ein Rascheln im Gebüsch zu ihnen herüberdrang. Ekkehard sah den Rothirsch zuerst. Er wies in dessen Richtung und bedeutete dem Bruder, sich unsichtbar zu machen. Dem fiel nach der Zustimmung des Bruders eine Last von den Schultern, die mehr wog als jedes Rotwild, das sie würden erlegen können.
    »Ein prächtiger Zwölfender«, flüsterte Ekkehard und nickte dem Bruder wohlwollend zu.
    Hermann lächelte vorsichtig. Es war ein riesiges, prächtiges Tier, das den Kopf in die Höhe reckte und röhrte, so dass die leuchtend gelben Blätter der umstehenden Birken zu zittern begannen.
    »Der gehört mir!« Ekkehard zog einen frischen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn auf die Sehne und spannte die Armbrust. Dann drückte er ab und trieb den Eisenbolzen ins Herz seiner Beute.
    Treffer!, jubelte Hermann innerlich und sah Ekkehard nach, der bereits zu dem erlegten Tier lief. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er der festen Überzeugung, dass der Kathedralbau das Seelenheil von Uta von Ballenstedt förderte und nicht bedrohte.
    »Der Herrgott hat die Mutter für dein Vergehen bestraft und sie elendiglich verrecken lassen«, murmelte Uta und blickte auf das Pergament vor sich. Nachdem zuerst das Heer mit den Heerführern und danach auch das Kaiserpaar abgereist waren, herrschte wieder die gewohnte Emsigkeit auf der Baustelle. »Wie kann er das nur behaupten!« Uta legte den Federkiel ab und trat vom Schreibpult weg, um sich auf ihrer Bettstatt niederzulassen. Sie nahm den Schleier ab und drückte sich tief in ihr Lager. »Ich schwöre vor Gott und allen Heiligen«, begann sie, »dass ich frei von Schuld bin.« Dann schloss sie die Augen.
    Uta!, hörte sie die Stimme des Vaters donnern und sah Volkard mit den glutroten Haaren, der seinen Leib auf den ihren presste. Die Schneerose, die über Glück und Unglück im Leben entschied, hatten sie damals im Südforst ausgraben und mit auf die Burg zurücknehmen wollen, während die Jagdgesellschaft noch unterwegs gewesen war. Doch als Erna nirgendwo zu finden gewesen war, war Uta entgegen der Anweisung des Vaters alleine mit dem Knappen in den Wald geritten.
    Aufgewühlt setzte Uta sich wieder auf. Entgegen der Anweisung des Vaters, ging es ihr durch den Kopf. Sollte dieser Verstoß schon ausgereicht haben, um Unglück über die Mutter zu bringen?

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