Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
Vom Netzwerk:
vorbehalten hatte, abzuhalten. Was für eine Schande!
    »Exzellenz«, sagte Uta beruhigend und erhob sich. Trotz Hildewards harschen Wesens war sie gewillt, ihm Auskunft zu erteilen, und trat mit ihrer Zeichnung an ihn heran. »Schaut Euch bitte dieses Fenster hier an.«
    Unwillig blickte Bischof Hildeward auf das ihm vorgehaltene Pergament.
    »Nur eine moderne Bogenkonstruktion kann den Kräften, die die Steine nach unten Richtung Erde ziehen, entgegenwirken«, erklärte Uta und fuhr mit der Hand über die soeben fertiggezogenen Blindrillen. »Unsere Fensterbögen nehmen die Zugkräfte gleichmäßig auf und verteilen sie auf die gesamte Bogenlaibung.«
    »Stellt Euch die Oberkante unserer Fenster als Kette vor, Exzellenz«, übernahm Tassilo nach einem dankbaren Blick zu Uta. »Eine gerade gespannte Kette würde in der Mitte bald von der Druckkraft nach unten gedrückt werden. Eine gewölbte Kette hingegen verteilt den Druck und leitet ihn in die Seitenarme des Bogens ab.«
    Bischof Hildeward überlegte. »Sind die Arbeiter denn zufrieden, und können wir den Bau wirklich in zehn Jahren schaffen?«
    »Unsere Planung sagt, dass wir es schaffen werden«, entgegnete Tassilo und vermochte seine Verwunderung über diese Art von Fragen nicht länger zu verbergen. Auch Uta wurde nachdenklich. Seit einiger Zeit interessierte sich der Bischof sehr intensiv für die Bauplanung und auch für die Tätigkeiten auf der Baustelle.
    »In Zukunft verlange ich über alles informiert zu werden!«, forderte Hildeward. »Jede Entscheidung obliegt meiner Zustimmung!«
    Wenig erfreut nickte Tassilo, worauf Hildeward die Kammer grußlos verließ.
    »Hat unsere Exzellenz nicht alle Hände voll mit der Vorbereitung der Messe im neuen Chor zu tun?«, fragte Tassilo irritiert und dachte an den Festtag des heiligen Petrus und Paulus, den Namenspatronen der Kathedrale, zu dem schon in wenigen Tagen ganze Pilgerscharen nach Naumburg strömen würden, die sich von Hildeward Absolution und Segnung erhofften, zumal an diesem Tag erneut mehr als einhundert Kämpferherzen in die Krypta des Westchores eingelassen werden sollten.
    »Lasst uns weiterzeichnen, Meister«, entgegnete Uta, war aber unschlüssig, ob sie zukünftig nun auch die Mahlzeiten für die Arbeiter mit dem Bischof abstimmen sollte. »Vielleicht schaffe ich es heute noch, alle Rundbogenfenster der oberen Langhauswände aufs Pergament zu bringen.« Mit diesen Worten schloss sie die Tür, die der Bischof hatte offen stehen lassen, und setzte sich wieder vor ihr Reißbrett.
    »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Gräfin, Ihr lernt schnell«, sagte Tassilo mit einem Blick auf Utas Pergament.
    »Ihr dürft.« Uta lächelte und füllte die Rille des ersten Bogens mit schwarzer Tinte.
    »Ihr zögert, Schwager?«, fragte Esiko mit hochgezogenen Brauen.
    Ekkehard wandte sich von Esiko ab und trat vor die Wand des Burgsaals, die seit einem Mondumlauf den roten Adler auf weiß-silbernem Feld zeigte, das Bannertier der Meißener Markgrafen. Der Adler war frei schwebend, mit geöffneten Flügeln und spitz herausragender Zunge dargestellt. Ekkehard versank in Gedanken. Als er vor wenigen Tagen mit einigen Waffenbrüdern und dem Schwager zurück nach Naumburg gekommen war, hatte sein Weib erneut keinen gesegneten Leib vorweisen können.
    »Ihr solltet es auf jeden Fall noch vor unserer Abreise tun«, drängte Esiko und folgte Ekkehard vor das Fresko. Mit gespieltem Interesse betrachtete er den Adler. »Verblasst er schon?«, fragte er mit einem Seitenblick auf den Schwager. Nachdenklich schüttelte Ekkehard den Kopf. Was Hermann wohl dazu sagen würde, wenn er die Gattin fortschickte, wo sie doch jeden Morgen mit den Zeichnungen für die Kathedrale die Familie unterstützte.
    »Denkt an Eure Mark!«, gab Esiko zu bedenken. »Seid Ihr bereit, dies alles für ein Weib aufzugeben? Schaut mich an: Ich bin noch seltener auf der heimatlichen Burg als Ihr und doch hat mir mein Weib bereits zwei Erben und eine Tochter geboren.« Esiko war davon überzeugt, dass ein derart ungehorsames Weib, wie seine älteste Schwester es war, niemals Kinder gebären würde. Und mit dem Ultimatum, das Ekkehard Uta nun im Begriff war zu stellen, sinnierte Esiko weiter, würden gleich zwei Angelegenheiten in seinem Sinne geregelt werden. Erstens würde seine Schwester reumütig und ohne Grafentitel auf die elterliche Burg, seine Burg, zurückkehren. Er selbst war schon lange nicht mehr auf dem Ballenstedter Burgberg

Weitere Kostenlose Bücher