Die Herrin der Kathedrale
Hoftagen und Kirchenfesten zur Bestärkung gleich mehrmals hintereinander entschieden, dass diese Ehe unrechtmäßig ist, und Kaiser Heinrich hat ihnen darin zugestimmt.«
»Also eine Entscheidung, die unumstößlich ist«, stellte Uta fest.
»Der Graf und die Gräfin wollen für ihre Ehe kämpfen. Die beiden haben bereits einen Sohn, der seinen Erbanspruch verliert, wenn ihre Ehe für nichtig erklärt werden sollte. Aber es ist nicht nur das Kind, das die beiden verbindet, sondern auch die starken Gefühle, die sie füreinander hegen.«
»Aber der Kaiser ist neben dem Papst der höchste Richter auf Gottes Erden, Hoheit«, gab Uta zu bedenken.
Herzogin Gisela überlegte. »Selbst nach der römischen Zählweise sind beide noch im sechsten Grad miteinander verwandt.«
»Mir sind keine anderen Kanons bekannt, die den sechsten Verwandtschaftsgrad für eine Ehe erlauben.« Noch während sie sprach, begann Uta in Gedanken, alle ihr bekannten Pergamente auf sachdienliche Hinweise durchzugehen.
Die Herzogin erhob sich und schüttelte den Kopf. »Es muss eine Lösung für sie geben!«
Da meinte Uta, deren Erinnerung gerade an einem bestimmten mehrmals abgeschabten und vom Alter beinahe dunkelbraun verfärbten Pergament hängengeblieben war: »Wartet, Hoheit.« Sie stockte. »Der Graf und die Gräfin von Hammerstein könnten versuchen«, Uta erhob sich ebenfalls, »eine Art Sondergenehmigung zu erwirken.«
»Eine Sondergenehmigung«, grübelte die Herzogin. »Ist so etwas im kirchenrechtlichen Sinne denn möglich?«
»Ich habe neulich eine Schrift gelesen, in der genau dies getan wurde«, erklärte Uta. »Darin wandte sich ein beraubter Herzog direkt an den Heiligen Vater.«
»Ihr meint, die Hammersteiner sollten direkt an den Papst appellieren? Persönlich? In Rom?«
Uta nickte, auch wenn sie erst bei den nächsten Worten das Ausmaß ihrer Empfehlung begriff. »Den Papst um Gerechtigkeit bitten!«, hauchte sie beeindruckt und dachte dabei unwillkürlich auch an ihre Mutter.
Aufmerksam blickte die Herzogin Uta an, dann sprach sie:
»Wenn die zunächst zuständigen Richter, der Mainzer Erzbischof und der König nicht angemessen richten, sollte die nächste Instanz hinzugezogen werden. Und sofern König und Kaiser ein und dieselbe Person sind, ist diese Instanz der Heilige Vater.« Gisela lächelte einnehmend und tupfte sich etwas vom Quellwasser auf die Handgelenke. »Ihr habt erfrischende Gedanken, Uta von Ballenstedt.«
Wenn das zunächst zuständige Gericht kein Recht spricht, wiederholte Uta bei sich – und das würde der Vater niemals tun –, konnte sie also die nächsthöhere Instanz um Gerechtigkeit bitten. »Erlaubt mir eine Frage, Hoheit«, bat sie vorsichtig.
Die Herzogin nickte.
»Wenn das Gericht eines Grafen kein Recht zu sprechen vermag, wer ist dann die nächste Instanz?«
»Das hängt von dem jeweiligen Gebiet ab, in dem das Unrecht geschah. Im Königreich Burgund oder in den direkt dem König unterstellten Marken wäre die nächste Instanz der König. Im Herzogtum Sachsen wäre es der Herzog oder der Erzbischof.«
Ballenstedt lag im Herzogtum Sachsen. Uta müsste also vor den sächsischen Herzog oder einen der Bischöfe treten.
»Es bestände natürlich auch die Möglichkeit, die königliche Gerichtsbarkeit direkt anzurufen. Die Anrufungen werden von den königlichen Beratern zuvor jedoch erst angehört, um zu entscheiden, ob sie des königlichen Richterspruchs auch wirklich würdig sind.«
Da der König ständig auf Reisen ist, dachte Uta, werde ich ihn wohl kaum antreffen, und wenn doch, ist es mehr als zweifelhaft, ob er mich, die Hofdame der kaiserlichen Opposition, überhaupt anhören würde.
»Fragt Ihr aus einem bestimmten Grund?«, wollte die Herzogin wissen.
Uta überlegte und schwieg eine lange Weile. »Es gibt da eine Angelegenheit in meiner Familie, die der Rechtsprechung bedarf«, erklärte sie schließlich mit geistesabwesendem Blick. Die Herzogin lächelte bestärkend. »Gerechtigkeit ist eine herausragende Sache.«
Uta nickte. »Ihr sagtet, Hoheit, dass der Mainzer Erzbischof fest davon überzeugt sei, dass die Hammersteiner Verbindung eine Nah-Ehe ist.«
»Das ist wahr. Exzellenz Erzbischof Aribo von Mainz lässt sich nicht umstimmen. Er argumentiert verbissen, schrieb mir die arme Irmingard im vergangenen Winter.«
»Die Anrufung des Papstes könnte einen Streit mit dem Mainzer Erzbischof auslösen«, gab Uta zu bedenken.
Die Herzogin nickte wissend. »Vor allem,
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