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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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schüttelte den Kopf. Von Liebe, so war sie felsenfest überzeugt, verstand sie nichts.
    Der Burgsaal war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Die Tafeln waren eingedeckt. Der neue Küchenmeister hatte allerlei Gebratenes und gesottenes Federvieh, glasierte Hasen und gekochte Rüben aufgetischt. Das Herzogpaar hatte die Burgbewohner zum Feiern eingeladen. Für die Bauern der umliegenden Gehöfte waren in den Stallungen Bänke und Grillstellen hergerichtet worden. Spielleute, denen Konrad ein Winterlager gewährte, unterhielten die Gäste zwischen Burgsaal und Grillstellen mit sonderbaren Reisegeschichten. Gaukler, die ebenfalls vom Wintereinbruch überrascht worden waren, schätzten die Großzügigkeit des Herzogs und schleuderten die in ein einziges langes, rosafarbenes Tuch gehüllte Tänzerin, während sie selbst kunstvolle Sprünge vollzogen, elegant in die Luft. Zwischen den Tafeln erlebten die Burgbewohner schwebende Diabolos, zwischen gespreizte Zehen herabsausende Schwerter, Holzballjonglage und allerlei Dichtkunst. Die Freude, die in Uta während des Festes und des Verzehrs der delikaten Speisen aufkam, wurde durch die bestehende Sitzordnung noch verstärkt. Gemeinsam mit den anderen Hofdamen durfte sie an der Seite der Herzogin tafeln; gewöhnlich saßen die Damen einige Hocker weit von ihr entfernt. Ein Spielmann flötete Uta ins Ohr und zwinkerte ihr einladend zu, dann zog eine Akrobatin ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die junge Frau, ungefähr in Utas Alter, bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Schlange. Uta meinte, deren Haut am Bauch durch das rosafarbene Tuch hindurch schimmern zu sehen.
    Herzog Konrad erhob sich. »Werte Gäste, Bedienstete und Freunde«, begann er und brachte allein durch seine kräftige Stimme die Gespräche umgehend zum Verstummen. Zögerlich löste Uta ihren Blick von der Akrobatin, die ihren Körper wie ein kostbares Evangeliar selbst dann noch zur Schau stellte, als sie sich zurückzog. Auch die anderen Akrobaten begaben sich mit zwei eleganten Doppelsprüngen hinter die Tafeln.
    »Wir feiern heute aus einem besonderen Anlass«, erklärte der Herzog und griff nach seinem Bronzebecher. »Lasst uns den Becher zunächst auf meine wundervolle Gattin erheben.« Nach dem Tode von Giselas Schwager hatte er, Konrad, die Verwaltung des Herzogtums Schwaben bis zur Volljährigkeit von Giselas Sohn aus zweiter Ehe übernommen, obwohl Kaiser Heinrich im Nah-Ehe-Streit immer wieder gedroht hatte, das Herzogtum anderweitig zu vergeben. Das Pochen auf die durchaus nicht unübliche romanische Zählweise durch Gisela hatte den Kaiser erst einmal besänftigt, aber nicht abschließend überzeugt. Konrad nickte seiner Gattin zu, die sich in diesem Moment erhob. »Ich kann ihr für ihre unerschöpfliche Hilfe und ihren unverzichtbaren Rat während der vergangenen sieben gemeinsamen Jahre gar nicht genug danken.« Gisela strahlte. »Diese zu geben, wäre mir kaum möglich gewesen, ohne die Unterstützung meiner Hofdamen«, entgegnete sie und lächelte dabei jeder Einzelnen ihrer fünf Damen zu. Uta erwiderte die Geste und schaute die Herzogin dabei genauso bewundernd an, wie sie es bei ihrer ersten Begegnung in Quedlinburg getan hatte. Über die Tatsache, dass der Heilige Vater inzwischen eine Delegation nach Mainz geschickt hatte, um den Anspruch des Mainzer Erzbischofs auf die höchste richterliche Gewalt in der Kirche abzuschmettern, würde sich die Herzogin sicher freuen.
    »Und dank Euer aller Tatkraft steht uns Höchstes bevor!« Gisela schwenkte den gefüllten Becher in alle Richtungen des Burgsaals. Sie war erleichtert, dass ihr Gatte nach dem Tod Kaiser Heinrichs in der Stadt Kamba seinem gleichnamigen Neffen als Königskandidat vorgezogen worden war – sie hatte zwar ihre Schwester Mathilde, Herzogin von Kärnten und Oberlothringen, nicht davon abbringen können, den eigenen Sohn namens Konrad als zweiten Kandidaten vorzuschlagen, doch die Großen des Reiches hatten sich für »ihren« Konrad entschieden.
    »Unsere Exzellenz«, verkündete der Herzog, so dass es jeder im Burgsaal hören konnte, »Erzbischof Aribo von Mainz gedenkt, mich als Thronkandidaten vorzuschlagen.«
    Adriana zog Uta, die vor Verwunderung die Hand vor den Mund geschlagen hatte, ergriffen zu sich heran. »Das Herzogpaar könnte Königspaar werden!«, murmelte Uta und richtete sich nur langsam auf. Jetzt erst begriff sie, warum Herzogin Gisela seit der Ankunft des Seligenstädter Protokolls und dem Gespräch mit

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