Die Herrin der Kathedrale
verlassen.
»Und …«, es fiel der Herzogin sichtlich schwer, ihren Gatten auch nur für einen Moment loszulassen, denn ihr Blick war Uta bei ihren Worten nicht zur Tür gefolgt. »Ich danke Euch für die hilfreiche Unterstützung in dieser Angelegenheit.«
»Gerne, Hoheit, ich werde sofort mit der Abschrift beginnen.« Uta sah, wie Gisela ihr Becken gegen Konrads drückte, und schaute sofort zu Boden.
»Ich bin zuversichtlich, dass der Heilige Vater Aribo von Mainz in seine Schranken weisen wird«, setzte die Herzogin nach.
Noch immer verwirrt drehte sich Uta zur Tür und griff nach dem Riegel.
»Meine Damen, sprecht Ihr über den Mainzer Erzbischof?«, mischte sich der Herzog da ein. »In dieser Angelegenheit müsst Ihr Euch ab sofort zurücknehmen!«
Utas Hand glitt vom Riegel, und sie wandte sich erneut dem Paar zu. Dabei beobachtete sie, wie sich der Leib der Herzogin von dem ihres Mannes löste.
»Auf der Synode in Seligenstadt hat der Erzbischof versucht, dem Papst die Entscheidungsgewalt über die Gültigkeit der Hammersteiner-Ehe in letzter Instanz zu entreißen!« Gisela schaute fragend zu ihrem Gatten auf. »Konrad, Ihr erinnert Euch doch noch, wie er einst auch unsere Verbindung verurteilte?«
Der Herzog strich seiner Frau zärtlich über die Wange. »Es heißt, um Kaiser Heinrichs Gesundheit stehe es immer schlechter. Sollte er seinem Steinleiden erliegen, wird bis zur Neuwahl der Mainzer Erzbischof der mächtigste Herrscher unseres Reiches sein.« Er zog die Herzogin wieder zu sich heran und umschloss ihr Gesicht mit seinen riesigen Händen. Dann sagte er: »Den mächtigsten Erzbischof dieser Tage herauszufordern wäre töricht, Liebste. Es steht eine Menge auf dem Spiel, auch für uns.«
Gisela nickte nun verständig und schmiegte die Wange an seine Hand. »Wenn dem so ist«, sagte sie, »sollten wir uns tatsächlich zurücknehmen.«
Konrad nahm seine Hände nur von Giselas Gesicht, um sie fest zu umarmen. »Sie ist überwältigend, meine Herzogin«, sagte er, schmunzelte in Utas Richtung und zog seine Gattin dann durch die kleine Seitentür, die die Arbeitskammer mit dem Schlafgemach verband.
Mit roten Wangen verließ Uta die herzoglichen Gemächer.
»Ihr schaut aber erschreckt drein«, empfing Adriana sie in der Kemenate. Die Hofdamen nahmen wieder um das Kohlebecken herum Platz, und Mechthild schlug erneut das Buch auf ihrem Schoß auf.
Unter den fragenden Blicken der anderen setzte Uta sich jedoch nicht zu ihnen, sondern ließ sich entfernt von der heimeligen Wärmequelle in der Fensternische nieder.
»Ist Euch der Teufel persönlich begegnet?«, unterbrach Grete, die mit ihren dreizehn Jahren das jüngste Mädchen im Kreise der Herzogin war, die Stille.
Uta schaute zu Grete hinüber. »Könnt Ihr Euch vorstellen, dass die körperliche Vereinigung Freude bereitet?«
Adriana lächelte verschmitzt.
»Über solche Dinge ziemt es sich nicht zu reden«, mahnte Elisabeth ernst. »Derartige Worte vermögen Eure Zungen vertrocknen zu lassen!«
Grete wickelte sich eine Strähne ihres weißblonden Haares um den Finger und lächelte Adriana vielsagend an. Mechthild klappte das Buch vor sich zu, setzte sich neben Uta in die Fensternische und senkte ihre Stimme: »Es soll Punkte am Körper der Frau geben, die, wenn man sie ganz sacht berührt, vor Freude anschwellen.«
Verwundert riss Uta die Augen auf. »Aber die Heilige Schrift sagt, dass Wollust eine Todsünde ist. Außerdem …«
Nun trat auch Adriana hinzu. »Was außerdem?«
Erfolglos rang Uta nach Worten.
»Vielleicht liegt es daran, dass die Heilige Schrift von Männern stammt«, warf Mechthild ein. »Die kennen uns Frauen nicht.«
»Aber woher nehmt Ihr die Gewissheit?«, fragte Uta. Mechthild legte den Arm um Uta. »Nicht alles Wissen steht in Büchern geschrieben.«
»Sie hat recht«, sagte Adriana. »Auf der elterlichen Burg gab es viele weise Frauen, die weder lesen noch schreiben konnten.«
»Auf unserer auch«, stimmte Grete vom Kohlebecken aus zu.
»Und die sagten«, fuhr Adriana fort, »dass sich das weibliche Lustempfinden lediglich dann zu offenbaren vermag, wenn sich Mann und Frau einander mehr als nur zweckmäßig verbunden fühlen.«
»Mehr als nur zweckmäßig verbunden?«, wiederholte Uta.
»Es ist also keine Sünde, wenn man sich der Wollust aus einem gegenseitigen Gefühl heraus hingibt?«
»Wenn es Liebe ist, dann ist es keine Sünde«, mit diesen Worten war nun auch Grete vor das Fenster getreten.
Uta
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