Die Herrin der Kathedrale
nicht wahr?«, antwortete die Königin umgehend. Äbtissin Adelheid zögerte mit ihrer Zustimmung, die sie der Königin jedoch nicht ohne weiteres verweigern durfte. »Dann sei dem so«, sagte sie schließlich mürrisch.
Uta wurde leichter ums Herz. »Danke, Äbtissin Adelheid.« Sie nickte auch der Königin zu.
»Dann möchten wir Euch jetzt zum Mahl einladen«, sagte Äbtissin Sophie und wandte sich dem Gefolge des Königs zu.
»Wir bedanken uns für die Einladung«, sagte Gisela von Schwaben galant und betrat, begleitet vom Klopfen des Lilienszepters, mit ihren Hofdamen den Versammlungssaal vor den Äbtissinnen.
Selten war Uta eine Mahlzeit so lang vorgekommen. Sie nahm auch die Vredener Sanctimonialen nicht wahr, die sie hilfsbereit zu ihren Plätzen an der Tafel geleitet hatten, sondern hatte lediglich Bilder von Hazecha vor Augen: Wie sie die in die Jahre gekommene Stute der Mutter imitiert hatte, wie sie sich oftmals an sie gekuschelt hatte oder wie sie gemeinsam mit der Mutter Narzissenkränze auf den Ballenstedter Wiesen gebunden hatten. Was war passiert, dass sich die kleine Schwester im Gernroder Stift nicht anzupassen vermochte?
Als sich das Königspaar endlich erhob, ging Uta in die Stallungen, holte sich aus der Satteltasche ihrer Stute ihre Schreibutensilien und zog sich in die ihr zugewiesene Zelle zurück. Sie wollte Hazecha um ein Lebenszeichen bitten und ihr Mut machen durchzuhalten.
Das Schreiben übergab sie gleich am nächsten Tag Äbtissin Adelheid, die bereits übermorgen nach Gernrode zurückkehren wollte.
Ihrem nächsten Schreiben, so nahm Uta sich vor, würde sie ein Geschenk an die Schwester beilegen. Schon am Folgeabend würde sie mit einer Abschrift beginnen. Dem zweiten Buch aus der Sammlung Von der Materie der Medizin, das sie einst in der Quedlinburger Schreibstube für Alwine studiert hatte. Auch heute noch vermochte sie sich wortgetreu an die Rezepturen aus gebrannten Flusskrebsen, Wanzen und Fröschen zu erinnern.
»Und du bist wirklich zu Hanna gegangen und hast ihr gesagt, dass sie eine große Nase hat?« Die Sanctimoniale schaute fragend drein, während sie einen Eimer voller Äpfel auf den dafür vorgesehenen Platz in der Speisekammer hievte.
»Ja!« Hazecha reckte stolz die Brust hervor. »Schließlich hatte ich unsere Wette ja verloren.«
Gebannt von dem Bericht bildeten die Sanctimonialen, die ebenfalls mit der Sortierung der Vorräte beauftragt worden waren, einen Kreis um Hazecha.
»Ich weiß nicht, ob ich es mich getraut hätte«, brachte Lisette, die Kleinste von ihnen, hervor. »Hanna ist die Köchin des Stifts und sie bestimmt, wie viel Essen in deiner Schale landet.«
Auch Elfriede, die mit einer beträchtlichen Leibesfülle gesegnet war, schien ernsthaft besorgt. »Vielleicht lässt sie dich jetzt sogar verhungern?«
»Aber ich muss doch zu meinem Wort stehen!« Hazecha stemmte wie zur Bekräftigung die Hände in die Hüften und warf ihren Schleier auf den Rücken zurück.
»Hattest du keine Angst, dass Hanna direkt zur Äbtissin geht und dich verrät?«, wollte eine andere Sanctimoniale mit großen Augen wissen.
»Ein wenig schon«, gab Hazecha zu, »aber ich musste es ja tun, nachdem Alwine gewonnen hat und wir zuvor ausgemacht hatten, dass der Verlierer Hanna auf ihre große Nase ansprechen muss.«
»Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, mit Schwester Alwine zu wetten, dass du mehr Kräuter kennst als sie?«, fragte Lisette mit einer Spur von Verständnislosigkeit. »In der Heilkunde ist Schwester Alwine einfach unschlagbar!«
»Ich dachte, wenn ich die Namen aller Kräuter im Garten lerne, hätte ich eine Chance.« Hazecha nickte einsichtig.
»Aber Alwine ist wirklich nicht zu übertreffen.«
Elfriede nahm mehrere Äpfel aus dem Regal und verteilte sie unter den Mitschwestern. »Und was war nun mit der Nase? Wie hast du es Hanna gesagt?«
»Ich bin in die Küche gelaufen, sobald wir die Memoria beendet hatten«, erklärte Hazecha und biss genüsslich in ihren Apfel.
Die Sanctimonialen warteten gespannt, bis sie den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte.
»Zuerst habe ich sie für ihre Kochkünste gelobt, mit denen sie uns jeden Tag verwöhnt.« Hazecha lächelte verschmitzt.
Lisette, die dieses Vorgehen nicht verstand, fragte: »Ihre Kochkünste? Warum denn das? Was hat denn das mit ihrer Nase zu tun? Nun erzähl schon, Hazecha!«
»Danach habe ich ihr gesagt, dass ich ihre Suppe mit Wurzelgemüse am liebsten mag«, fuhr Hazecha
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