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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Auch Esiko hatte sie seit dem Abend seiner Ankunft auf der Burg nicht mehr zu Gesicht bekommen, obwohl er dem königlichen Heer als einer der Heerführer angehörte. Seit ihrem Gespräch fühlte sie sich einsam, obwohl sie noch nie mehr Menschen als auf dieser Reise um sich herum gehabt hatte.
    Als der königliche Tross das Augsburger Feld verließ, gab die Königin den Leibwachen ein Zeichen und ließ sich neben ihre Hofdamen zurückfallen. An Uta gerichtet sagte sie: »Als ich Beatrix nach Quedlinburg gab, musste ich an unsere erste Begegnung im Hufeisenraum unter der Stiftskrypta zurückdenken.«
    Uta hob den Kopf. »Es war eine besondere Begegnung, Hoheit, ich werde sie immer in meinem Herzen bewahren.« In dem darauffolgenden kurzen Moment der Stille wanderten Utas Gedanken wieder zu Hazecha. Sie bedauerte, dass der königliche Bote, nun, da sie nach Italien reisten, keinen weiteren Brief mehr über die Alpen nach Gernrode bringen würde. Geschweige denn ein Antwortschreiben Hazechas von Gernrode nach Italien.
    Königin Gisela schaute zu ihrer Hofdame. »Kaplan Wipo wird spätestens zur Überquerung der Alpen wieder gesund zu uns stoßen«, sagte sie und lächelte Uta von der Seite an. Erleichtert atmete Uta auf. Also hatten ihre Gebete für die Genesung Wipos geholfen, auch wenn der Winter noch nicht einmal richtig begonnen hatte. Vom Frieden der Seele hatte er einst gesprochen. Ein wunderbarer Zustand, der ihr seit den letzten Mondumläufen jedoch unerreichbarer denn je erschien.
    Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. Vor Einbruch der Dunkelheit wurde jeweils das Lager an einem Wasserlauf und in der Nähe einer Holzsammelstelle aufgeschlagen. Da sich der König seinen Männern verbunden zeigen wollte, übernachtete er mit ihnen außerhalb der Städte. Auch Gisela schloss sich mit ihrem Hofstaat den Übernachtungen im Freien an. Um das Lager herum wie auch an den Wegen, die zum Lager führten, waren Wachposten aufgestellt. Alle hundert Schritt brannte ein Wachfeuer, das nach Ablauf der Nacht bei Sonnenaufgang für die Zubereitung der Mahlzeiten genutzt wurde. Die Lagerabende verbrachte Uta damit, sich in die für die Reise mitgenommenen Abschriften zu vertiefen und ihre Gespräche mit der Königin fortzusetzen. Doch ihre gemeinsame Zeit, die sie mit Lesen und Reden verbrachten, wurde seltener, denn die Königin war mit Beurkundungen, Audienzen und Verhandlungen an der Seite ihres Gatten beschäftigt. Umso erfreuter war Uta, als Wipo noch vor dem Weihnachtsfest wieder zum Tross stieß. Im Lager grassierten grausame Geschichten über den beschwerlichen Weg, der vor ihnen lag. Reisende Kaufmänner berichteten von ganzen Heeren, die im Gebirge erfroren oder von den viel zu schmalen Pfaden abgekommen waren.
    Die Übernachtungen im Freien sollten daher die Konstitution aller Trossmitglieder für die Überquerung der Alpen stärken. Uta nächtigte mit den anderen Hofdamen in einem Zelt, dessen Größe durchaus mit der ihrer Kemenate vergleichbar war. Um sich warm zu halten, lagen die Mädchen auf den Strohlagern unter Pelzen eng beieinander. Dazu kauten sie auf altem Brot, um den Körper zur Arbeit anzuregen und somit vor dem Erfrieren zu bewahren.
    »Da hing bei einem der höchsten Berge eine an Ketten aufgehängte Brücke über einer Schlucht, die so tief war, dass man mit bloßem Auge nicht bis auf ihren Grund blicken konnte«, raunte Mechthild.
    »Wo du das nur wieder herhast.« Adriana legte ihren Kopf zur Seite. »Aber erzähl nur weiter«, drängte sie und nieste gleich darauf.
    Mechthild fuhr in einem bedrohlichen Tonfall fort. »Der Schnee fiel dort ausschließlich in riesigen Brocken vom Himmel und schlug bedrohlich gegen die Kettenbrücke.«
    Uta lauschte stumm und kaute auf ihrem Brot.
    »Diese Brücke gibt es tatsächlich«, flüsterte Mechthild nun, »und sie zog nur besonders mutige Männer an. Grafen, Fürsten und sogar Könige waren darunter. Sie durften die Brücke nur ohne Gehänge, also waffenlos überqueren, einzig mit der Kraft des eigenes Fleisches.«
    Uta merkte, wie Elisabeth näher an sie heranrutschte. »Wisst Ihr, ob Euer Bruder auf Brautschau ist?«, flüsterte Elisabeth ihr ins Ohr und zog den Pelz fester um sich.
    Irritiert hörte Uta auf zu kauen. »Ich weiß es nicht«, entgegnete sie ebenso leise und wandte sich wieder Mechthild zu, die hinter Adriana lag.
    Elisabeth kicherte schüchtern. »Aber könnt Ihr ihn nicht fragen?« Noch immer war sie die einzige Hofdame, die nicht zum

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