Die Herrin der Kelten
den vergangenen Monaten gut verborgen.«
»Nur vor denjenigen, die es vorziehen, nicht zu sehen, was direkt vor ihnen ist.« Mac Calma begann, das Meerwasser aus seiner Tunika zu wringen. Das wollene Kleidungsstück war nicht mehr zu gebrauchen; es war durch das unfreiwillige Bad im Meer völlig aus der Form geraten, und nichts von dem, was er tat, würde es wieder reparieren. »Segoventos weiß, wer ich bin«, erklärte er. »Und Brennos, der Maat.«
»Ach, tatsächlich?«, erwiderte Caradoc in vernichtendem Ton. »Das war aber verdammt mutig, wenn man bedenkt, dass ganz Gallien unter der Knute eines Kaisers steht, der barbarische Wahrsager, Seher und Barden für vogelfrei erklärt hat, und dass die Häfen voller Männer sind, die es verzweifelt nötig haben, ihre patriotische Begeisterung unter Beweis zu stellen. Oder vielleicht hast du ja noch nicht gesehen, wie ein Mann ans Kreuz geschlagen wurde, und hältst es für kein Risiko?«
Er überschritt ganz bewusst die Grenzen akzeptablen Benehmens. Drei gallische Träumer waren im vergangenen Jahr auf Geheiß Roms gekreuzigt worden. Alle drei waren auf Mona ausgebildet worden, und in Anbetracht seines Alters war es wahrscheinlich, dass Luain sie gekannt hatte. Und selbst wenn nicht, so lastete ihr grausamer Tod doch noch immer wie ein dunkler Schatten auf dem Land. Die Hinrichtung dieser Männer war nicht nur ein Sakrileg, das jeder Beschreibung spottete, sondern bestätigte darüber hinaus auch die verständnislose Brutalität des Feindes.
Luain mac Calma gab seine Tunika auf und starrte blicklos aufs Meer hinaus. »Ich habe es gesehen«, sagte er milde. »Und darum würde ich so etwas auch nicht unnötig herausfordern. In diesem Fall jedoch war ich davon überzeugt, dass ich kein allzu großes Risiko einging. Es gibt Männer, denen ich bedenkenlos mein Leben anvertrauen würde. Segoventos ist einer von ihnen.« Er blickte auf. »Ich hatte gedacht, dass auch du zu diesen Männern gehören könntest.«
Caradoc, anerkannter Krieger dreier Stämme, legte den Kopf schief, als ob er diesen Gedanken prüfte. Er war jetzt ruhiger als zuvor, ruhig genug, um mit gebührender Ironie zu lächeln, als er erwiderte: »Das würde aber voraussetzen, dass ich wusste, wer du bist.«
Es war nicht die korrekte Art, um um eine Vorstellung zu bitten, doch es war auch nicht übermäßig unhöflich. Der Sänger blickte Macha an, die zustimmend nickte; ein Mann sollte sich nicht selbst vorstellen müssen, wenn jemand anderer anwesend ist, der das übernehmen kann. Auch sie konnte in dem singenden Tonfall des Sängers sprechen, wenn sie wollte.
»Caradoc von den Drei Stämmen, Krieger und Träumer der Eceni, ich möchte euch Luain mac Calma vorstellen, einst aus Irland, jetzt Kaufmann, Sänger, Heiler und Träumer des Ältestenrats auf Mona.«
Mona . Die Worte hallten in Breacas Bewusstsein wider und schlugen wie mit Fäusten auf ihr Herz ein. Sie blickte Airmid kurz an, sah dann aber rasch wieder weg. Seit dem Herbst hatten sie gewusst, dass im Frühjahr eine Nachricht aus Mona kommen würde, eine Aufforderung an die Träumerin, ihren Platz in der Schule der Götter einzunehmen. Sie hatten erwartet, dass sie von einem Boten auf dem Landweg überbracht werden würde, und auch erst später im Jahr, aber das war ein Irrtum gewesen, wie sie jetzt erkannte. Luain brauchte es nicht erst zu sagen; tatsächlich war es ihm sogar verboten, darüber zu sprechen, außer vor dem Ältestenrat, wann immer dieser auch einberufen würde; doch es war die Wahrheit, und alle Anwesenden wussten es.
Breaca ertappte sich dabei, wie sie ihn und Macha musterte, die noch immer so lächelte wie in dem Moment, als sie plötzlich seine Stimme gehört hatte. Auch das war jetzt klar: Machas und Luain mac Calmas Vergangenheit waren eng miteinander verknüpft; sie verband sowohl Irland als auch Mona, die beiden von den Göttern gesegneten Inseln. Man konnte es an ihren Stimmen erkennen, an der besonderen Mischung aus Tonfall und Satzmelodie, so als ob sie von derselben Mutter sprechen gelernt hätten - oder viele Jahre lang dasselbe Bett miteinander geteilt hätten. Dieser Umstand hätte eigentlich nicht überraschend sein dürfen. Die Ausbildung auf Mona dauerte insgesamt zwölf Jahre, und es gab keinen Grund zu der Annahme, dass Macha all diese Jahre über keusch gelebt hatte - ebenso wenig, wie man voraussetzen konnte, dass Airmid das tun würde. Breaca sah sich suchend nach ihrem Vater um, der das vom ersten
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