Die Herrin der Kelten
Kopf aus den Fluten auf. Bán sah fuchsrotes Haar, pfeilschnell dahinschießendes Wasser und einen hochgerissenen Arm wie von einem Ertrinkenden, der mit letzter Kraft um Hilfe rief.
»Breaca!«
Seine Stimme ging in dem Ohren betäubenden Rauschen des Flusses unter. Airmids Stimme, höher und durchdringender, übertönte den Lärm.
Doch beide kamen zu spät. Der Arm verschwand wieder. Für einen kurzen Moment breitete sich das rote Haar wie ein Fächer auf der wilden Strömung aus, dann versank der Kopf unter der Wasseroberfläche und war verschwunden.
Das Wasser war so bitterkalt wie flüssiges Eis, und seine Kraft war überwältigend. Als Breaca in den Fluss sprang, wurde sie augenblicklich von der Strömung in die Tiefe gerissen und weiter und immer weiter hinuntergedrückt, bis ihre Lungen brannten und grelle Lichter vor ihren Augen aufblitzten. Die Götter kamen nicht zu ihr, so wie sie es in dem Traum von dem Schiffsunglück getan hatten, aber sie hörte im Geist ihren Vater sprechen, so wie damals in ihrer Kindheit, als er ihr das Schwimmen beigebracht hatte, und er erinnerte sie daran, nicht gegen eine derart schnelle Strömung anzukämpfen, sondern sich von Nemain, die über die Wasser herrschte, emporheben zu lassen. Sie trat kräftig mit beiden Füßen, um sich in Richtung des Mondes hinaufzustoßen und von der Strömung tragen zu lassen.
Eine lange Strecke weiter stromabwärts durchbrach sie die Wasseroberfläche. Das Flussufer war leer. Irgendwo in der Ferne riefen Männer ihren Namen. In der Dunkelheit war es unmöglich, irgendetwas anderes als Wasser zu erkennen. Sie stieß sich abermals mit beiden Füßen ab, um sich über Wasser zu halten, und blickte sich um. Ein bleicher Körper leuchtete flüchtig im Licht des Mondes auf und schoss an ihr vorbei. Sie packte ihn blitzschnell mit beiden Händen und zerrte ihn zu sich her. Er zuckte und zappelte und wand sich heftig in ihrem Griff. Dann tauchte ein strohblonder Haarschopf neben ihr auf und die glatte Haut eines jungen Mannes, beide triefend nass. Graue Augen öffneten sich weit und erkannten sie. Caradoc spuckte Wasser und rang mühsam nach Atem.
»Nicht mich. Wir können... uns nicht... gegenseitig retten. Darum... geht es jetzt nicht.« Absurderweise grinste er.
Die Strömung zog sie um eine Biegung im Fluss herum. Breaca ließ Caradoc los und schwamm auf die Uferböschung zu. Das Ufer war in unmittelbarer Reichweite. Caradoc kraulte mit kraftvollen Zügen neben ihr her. Sein Gesicht tauchte abermals aus dem Wasser auf, dicht vor ihrem.
»Wo ist er? Wo ist Dubornos?« Sie musste laut rufen, um den Lärm des Wassers zu übertönen.
»… weiß ich nicht. Kann er schwimmen?« »Ich glaube schon. Pass auf!« Ein Ast peitschte vorbei, traf sie beide mit voller Wucht. Ein lähmender Schmerz schoss ihren Arm hinauf. Breaca schlug wild mit den Armen um sich und kämpfte darum, den Kopf über Wasser zu behalten. Die Strömung zerrte sie wieder zurück in die Mitte des Flusses. Das Ufer war verloren. »Caradoc!«
»Hier…« Eine Hand leuchtete für einen flüchtigen Moment über dem Wasser auf, mehr in Ufernähe. Dahinter tauchte ein bleicheres Gesicht an der Wasseroberfläche auf.
»Dubornos!«
Sie warf sich mit aller Kraft gegen die Strömung. Der schlaffe Körper prallte mit solcher Wucht gegen sie, dass es ihr den Atem aus den Lungen presste. Sie packte ihn hastig, ohne darüber nachzudenken, und zerrte an Haaren und Fleisch gleichermaßen, während ihre Finger tiefe Kratzer in seiner Haut hinterließen. Schließlich tauchte sein Kopf aus dem Wasser auf. Sie schüttelte ihn kräftig an den Haaren. »Wach auf, du Idiot! Schwimm!« Er gab einen erstickten Laut von sich und fluchte und versuchte, sich von ihr loszureißen. Sie ließ sein Haar los, hielt ihn aber weiter am Arm fest. Das Wasser wirbelte sie zusammen im Kreis herum, wie Liebende, die sich in einem Schwindel erregenden Tanz drehten.
»Er lebt!«, rief Breaca laut, für den Fall, dass Caradoc in der Nähe war.
»Gut...« Seine Stimme ertönte irgendwo hinter ihr. Sein Arm schoss an ihr vorbei und packte Dubornos, und für einen Moment hielten sie beide den ertrinkenden Jungen fest, eine Trophäe, von zwei ebenbürtigen Gegnern gemeinsam gewonnen. Ihre Blicke trafen sich, und Breaca fühlte übersprudelndes Gelächter in sich aufsteigen, das jedoch von den Fluten des Flusses weggespült wurde, bevor die Strömung sie von neuem erfasste und Dubornos aus ihrem Griff gerissen
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