Die Herrin der Kelten
Geist an einem anderen Ort, wanderte mit ihrem Vater zum Fluss hinunter. Sein Schatten schritt mit dem Schwung der Jugend dahin, und er strahlte eine Freude aus, wie sie sie seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr bei ihm erlebt hatte. Sie beobachtete ihn mit Ehrfurcht und Erstaunen und spürte, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen.
»Breaca, hör mir zu«, sagte Airmid eindringlich. »Macha lebt noch. Wenn wir sie nach Hause schaffen können, bleibt sie vielleicht am Leben. Eburovic würde wollen, dass wir sie so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.«
Breaca runzelte die Stirn. Macha. Sie hing sehr an Macha. Ihr Vater hatte sehr an Macha gehangen. »Wie schwer ist sie verletzt?«
»Sie ist von einem Speer in die Brust getroffen worden. Sie kann zwar atmen, aber nur unter starken Schmerzen, und sie kann weder laufen noch reiten.«
»Wir werden eine Tragbahre bauen und sie ziehen.«
»Sinochos hat schon eine gemacht. Du musst jetzt mitkommen, wir können dich nicht allein zurücklassen.«
Sie hatte also länger bei Eburovic gesessen, als es den Anschein hatte. Sie versuchte, den lähmenden Schmerz abzuschütteln und einen klaren Gedanken zu fassen. Airmid war hier, um zu helfen. Braune Augen blickten forschend in die ihren. Kühle Hände umschlossen ihre Handgelenke. Sie zwang sich, den Blick von ihrem Vater abzuwenden, um Airmid anzusehen, und begegnete einer inneren Stärke, die sie zutiefst beschämte. Sie riss sich zusammen und fragte: »Wie viele andere Verwundete gibt es?«
»Acht, doch sie werden vermutlich überleben. Tagos hat es am schlimmsten erwischt. Er wird seinen rechten Arm verlieren, aber wenn wir die Blutung zum Stillstand bringen können und der Stumpf nicht verfault, wird er am Leben bleiben. Die Wunden der anderen sind tief, aber nicht tödlich. Ich kann zwar gleich hier an Ort und Stelle damit anfangen, ihre Wunden zu versorgen, aber wir sollten sie besser sofort zum Rundhaus zurückbringen. Verzeih mir, aber wir haben keine Zeit mehr, um Plattformen für die Toten zu errichten. Wir werden ihre Schilde mitnehmen und sie als in der Schlacht Gefallene ehren. Eburovic hätte das verstanden.«
Eburovic. Airmids Stimme wurde wieder leiser und verhallte in der Ferne. Ihr Vater stand am Ufer eines Flusses. Wasser von der Farbe von Mondlicht strömte an seinen Füßen vorbei. Haselnusssträucher, neunstämmig für Nemain, ließen ihre Blätter herabhängen, um die Wasseroberfläche zu streifen. In der Mitte des Stroms schwamm ein Otter. Ein Lachs tauchte aus den Fluten auf und trug eine Eichel im Maul. Das jenseitige Flussufer war in Nebelschwaden gehüllt, obwohl Eburovic so forsch ausschritt, als ob es nur einen Schritt entfernt wäre. Er drehte sich noch einmal um und winkte Breaca zu, und sein Gesicht strahlte, erleuchtet von Erinnerungen und von der Aussicht auf ewigen Frieden im Schoß der Götter. Tränen füllten ihre Augen und ließen alles vor ihrem Blick verschwimmen, und als Breaca schließlich wieder sehen konnte, war Eburovic verschwunden.
Sie blinzelte benommen und blickte sich um. Airmid war wieder neben ihr, obgleich diesmal an einer anderen Stelle. Es war jetzt später als zuvor, die Sonne stand inzwischen hoch über den Bäumen, und der Nebel über dem Wasser hatte sich schon lange aufgelöst. Irgendjemand hatte die Pferde eingefangen, hatte diejenigen getötet, die zu schwer verletzt waren, als dass man sie noch hätte retten können, und die Übrigen gesattelt. Die graue Stute wartete auf sie, noch nass an den Vorderbeinen und am Maul, wo ihr jemand das Blut abgewaschen hatte. Ein Hautlappen hing lose über dem einen Auge, wo sie von einer Schwertspitze getroffen worden war, und entlang ihren Rippen war die lange, tiefe Schramme eines Speerstoßes zu erkennen, aber sie konnte stehen und laufen, und sie konnte geritten werden. Breaca hob die Augen. Airmid erwiderte ihren Blick, geduldig wartend. Die Träumerin war völlig erschöpft; die Müdigkeit zehrte an ihr, machte ihre Haut aschfahl.
Breaca wurde sich bewusst, dass die anderen bereit zum Aufbruch waren und nur noch auf sie warteten. Sie stemmte sich hoch. »Du hast die ganze Arbeit allein erledigt. Es tut mir Leid.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du warst bei den Göttern. Es dauert eben seine Zeit, um wieder von dort zurückzukehren.«
»Vielleicht.« Breaca sah sich um. Auf der Lichtung war es still. Es gab jetzt noch mehr Tote als zuvor; die Schatten ihrer Seelen defilierten zu zweit
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