Die Herrin der Kelten
durchzurütteln.
»Ich werde bestimmt den ganzen Sommer brauchen, um Hail davon zu überzeugen, dass Bán nicht mehr zurückkehren wird und dass er stattdessen mir folgen muss«, meinte Breaca. »Glaubst du, die Verwundeten werden sich bis zum Herbst wieder so weit erholt haben, dass du sie dann verlassen kannst?«
»Wahrscheinlich. Diejenigen, die durchkommen.«
»Gut. Dann werden wir im Herbst abreisen, du und ich und der Hund. Wir werden noch vor den ersten Schneestürmen des Winters in Mona sein.«
DRITTER TEIL
Herbst A.D. 39 - Frühjahr A.D. 40
GALLIEN, BELGIEN UND DIE GERMANISCHEN PROVINZEN, A.D. 39
XVI
Die Nacht war zu heiß, und die Luft im Raum war stickig und verpestet. Die Dunkelheit stöhnte unter dem unruhigen Schlaf von einem Dutzend Männer. In einer Ecke stand ein Topf mit abgestandenem Urin, dessen übler Geruch nur noch von dem schalen, säuerlichen Gestank von Erbrochenem überlagert wurde. Bán lag nackt auf einer Pritsche, sein Körper von einem schmierigen Schweißfilm überzogen. Er sehnte sich verzweifelt nach der Möglichkeit, endlich baden zu können, nach dem herrlich belebenden Gefühl von Flusswasser auf seiner Haut, nach der durchdringenden Kälte und der gründlichen Sauberkeit, die ein solches Bad mit sich brachte. In anderen Nächten hätte er sich in den Schlaf geflüchtet oder zumindest den Versuch unternommen, im Schlaf Vergessen zu finden. In dieser Nacht jedoch lag er hellwach da und starrte die Wände an, und die Visionen stürmten wieder auf ihn ein, so wie sie es in seinen Fieberträumen getan hatten. Ein lächelnder Iccius wurde von einem herabstürzenden Felsbrocken erschlagen; Breaca starb durch Amminios’ Speer, so wie sie schon einmal zuvor in seiner Vision von Mandubracios ums Leben gekommen war. Beide erhoben sich und kamen auf ihn zu, baten Bán inständig, gemeinsam mit ihnen den Fluss zu überqueren und sich zu seinen Angehörigen im Totenreich zu gesellen.
Doch er widerstand der Verlockung; Breaca war von den Schwertern der Kampfadler getötet worden, nicht durch einen Speer, und Iccius lebte noch. Amminios hatte ihm das alles erzählt, als Bán auf dem Weg nach Gallien zum ersten Mal aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, und Iccius hatte die Geschichte später unter vier Augen bestätigt, hatte ihm von jenem Moment erzählt, als die Kampfadler in überwältigender Anzahl über die Eceni hergefallen waren, so dass es wirklich keinen Zweifel daran geben konnte, dass sämtliche Verteidiger der Eceni abgeschlachtet worden waren. Bán wäre ihnen nur zu gerne ins Jenseits gefolgt. Während der ersten Monate in Gallien hatte er kaum an etwas anderes gedacht, hatte sich immer wieder die vielen verschiedenen Möglichkeiten überlegt, wie er Amminios dazu bringen könnte, ihn zu töten, damit er auf diese Weise jenen letzten Schritt zurücklegen konnte, der ihn wieder in die Arme seiner Familie führen würde. Es war seine Sorge um Iccius, die ihn letztendlich davon abgehalten hatte, seinen selbstmörderischen Plan in die Tat umzusetzen; Bán fühlte sich für den Jungen verantwortlich, und er hätte es einfach nicht über sich gebracht, ihn im Stich zu lassen und ihn allein als Amminios’ Spielzeug leiden zu lassen. Einmal, als es ganz besonders schlimm und unerträglich gewesen war, hatte Bán mit dem Gedanken gespielt, sich selbst und Iccius umzubringen, doch die Götter blickten alles andere als wohlwollend auf einen Krieger herab, der sich aus Verzweiflung das Leben nahm, und Báns eigenes Gewissen würde ihm nicht erlauben, Iccius zu töten, noch nicht einmal, um ihn vor Schaden zu bewahren.
Bán erklärte all dies den Geistern der Toten, so wie er es schon viele Male zuvor getan hatte, und versprach ihnen, dass er sterben würde, sobald sich die Gelegenheit dazu bot, aber nur, wenn er es so einrichten könnte, dass es ein ehrenvoller Tod sein würde. Sie wichen wieder zurück und schüttelten kummervoll die Köpfe. Er starrte angestrengt auf die verputzte Wand, bis er durch ihre Körper hindurchsehen konnte. Es war schon lange her, dass die Geister die Macht gehabt hatten, ihm Furcht einzuflößen. Selbst seine Mutter konnte jetzt kommen und gehen, und er empfand ihre Anwesenheit als ein Geschenk. Zu Anfang war das noch nicht so gewesen; das erste Mal waren sie ihm am helllichten Tag im Laderaum von Amminios’ Schiff erschienen, und die panische Angst, die sie in ihm ausgelöst hatten, war noch schlimmer gewesen als die Schmerzen von seiner tiefen
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