Die Herrin der Kelten
sie hätte es schaffen können, die Schilde herzubringen, und damit wären unsere Chancen so viel besser gewesen. Doch dafür war es nun zu spät. Auf ihrer Linken stürmte ein Bulle von einem Mann, der den Kampfadler auf beiden Oberarmen eintätowiert hatte, auf Sinochos und seinen Sohn zu. Eisen krachte durch Fleisch auf Knochen, und Tagos stürzte mit einem gellenden Aufschrei zu Boden. Sinochos sprang blitzschnell nach rechts, bückte sich, um das heruntergefallene Schwert seines Sohnes zu packen, und hieb dann wie ein Wahnsinniger um sich, während er beide Klingen wie Dreschflegel durch die Luft sausen ließ. Mit einem schrillen, wutentbrannten Schrei stürzte er sich auf den Krieger, der Tagos zu Fall gebracht hatte. Der bullige Mann verlor seine edlen Teile und die Hälfte seines Gesichts und fiel schwer zu Boden, um auf dem Körper eines jungen Eceni zu landen, der schon so lange dort gelegen hatte, dass er über und über mit dem geronnenen Blut anderer beschmiert war. Sie umarmten einander im Tode.
»Wir müssen zusammenbleiben! Zusammen!«, brüllte Eburovic Breaca ins Ohr. Er schob sie auf Sinochos zu und zog Airmid hinter sich her. Seine Kräfte erlahmten allmählich, sie konnte es deutlich spüren, eine Verlangsamung der Reflexe, die besagte, dass das Lied seiner Klinge schwächer wurde. Schon schwebte Briga über seiner Schulter, einen Raben auf jedem Handgelenk. Ein kleiner Teil von Breaca wollte den drohenden Tod nicht wahrhaben und wurde abrupt zum Schweigen gebracht.
»Wo ist Macha?«
Macha war niedergeschlagen worden, das musste er doch wissen. Breaca zeigte mit der Spitze ihrer Schwertklinge in die entsprechende Richtung. »Dort. Neben Dubornos.«
Dubornos war unter den Ersten gewesen, die im Kampf gefallen waren. Macha war zu ihm geeilt, um sich um ihn zu kümmern, und war dabei von einem durch die Luft sausenden Speer getroffen worden. Die Angreifer hatten nur wenige Speere geschleudert, denn die Eceni hatten sie aus dem Gras gezogen und prompt wieder zurückgeschleudert, und daraufhin waren keine mehr gekommen. Nur ein Dummkopf macht dem Feind Waffen zum Geschenk, und die Männer des Kampfadlers waren alles andere als dumm. Sie standen jetzt wieder in demselben Halbkreis da, mit dem die Schlacht begonnen hatte, zwar längst nicht mehr so viele wie zu Anfang, aber dafür um so schwieriger zu töten. Denn dies waren die Überlebenden, kampferprobte Krieger, die die Schlachten, die sie geschlagen und gewonnen hatten, schon gar nicht mehr zählen konnten und die ihre Furcht vor dem Ungewissen schon lange verloren hatten. Der erste Sturmangriff war gescheitert, und jetzt hielten sie sich erst einmal zurück, während sie die grün gestreiften Umhänge der Coritani ablegten und sich die gefälschten Zeichen von den Unterarmen abwischten. In ihrer Verstellung lag keine Ehre, und dies waren Männer, für die solche Dinge wichtig waren.
Breaca zählte die Überlebenden beider Seiten. Von den Eceni standen noch sieben, einschließlich ihrer selbst; zwei waren verwundet und würden beim nächsten Zusammenstoß fallen, womit noch fünf übrig blieben. Von Amminios’ Adlern, die zu Anfang so viele gewesen waren, dass man sie gar nicht hatte zählen können, waren noch elf übrig geblieben. Freudiger Stolz wallte in ihrem Herzen auf; ihre Leute hatten erbittert und mit großer Tapferkeit gekämpft, und für diejenigen, die die Leichen fanden, würden sie als Helden in die Geschichte eingehen. Ihr Vater fühlte es ebenfalls. Sie spürte, wie er sich innerlich straffte, wie er den Toten und den Lebenden ein Versprechen gab, geschworen im Beisein der Göttin. Er drückte flüchtig Breacas Schulter und ließ seine Hand dann an ihrem Arm hinuntergleiten.
»Gib mir deinen Schild.«
Er war ihr Vater, es war sein gutes Recht, mit einem Schild bewehrt zu sterben. Sie schüttelte den Schulterriemen ab und fühlte die plötzliche Leichtigkeit ihres Armes und die Kälte. Ohne nachzudenken sah sie sich um, suchte nach einem überzähligen Schwert, das sie in ihrer linken Hand tragen konnte.
»Hier.« Airmid stupste sie am Ellenbogen an. Das Schwert, das sie ihr reichte, war eines, das einem feindlichen Krieger gehört hatte, länger als die Schlangenklinge und sehr viel breiter. Den Knauf zierte ein rennender Fuchs, dessen buschiger Schwanz sich über der Linie des Rückens krümmte. Das Heft war glitschig vor Blut. Breaca nahm das Risiko auf sich und kniete sich hin, um das blutbeschmierte Heft an ihrer
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