Die Herrin der Kelten
ein Sterblicher, der seinen eigenen Tod nahen sehen konnte.
Bán hob den Arm. In dem neutralen Gallisch der Region rief er aus: »Weißt du, wie die Kavallerie absitzt?«
Das Hengstfohlen bäumte sich auf der Hinterhand auf, als es diese neue Stimme hörte. Der Mann warf sich blitzschnell nach vorn und umklammerte den Hals des Tieres. Der Albtraum eines jeden Reiters ist das Pferd, das sich plötzlich aufbäumt und nach hinten wirft. Der Reiter - ohne jede Chance abzusteigen - kommt dabei unweigerlich zu Tode, zerdrückt unter einer sich windenden Masse von Pferdefleisch. Für einen kurzen Augenblick schwebte das Paar hoch in der Luft, das Pferd und der Parasit, der sich an ihm festklammerte, und der Tod schwebte drohend über ihnen.
Die Menschenmenge jubelte. Das Schauspiel war perfekt. Der Mann war ebenso sehr wegen seiner hünenhaften Statur und seiner Haarfarbe wie auch wegen seiner Geschicklichkeit als Reiter ausgewählt worden; sein langes Haar war weißblond, sogar noch heller als Iccius’, und es wallte wie eine im Wind flatternde Fahne über seinen schwarzen Lederharnisch. Das Pferd war in Schwarz aufgezäumt, mit einem darunter liegenden Halfter aus weiß gebleichtem Hanf. Sein Fell war nachtschwarz, durchzogen von länglichen Flecken, die wie vergossene Milch wirkten. Aus einiger Entfernung betrachtet verlieh der Schweiß Pferd und Reiter einen schimmernden Glanz.
Das Hengstfohlen schwankte einen Moment auf der Hinterhand, drauf und dran, das Gleichgewicht zu verlieren und seinen Reiter unter sich zu begraben, dann ließ es sich wieder auf die Vorderbeine fallen und zermalmte den Sand unter seinen Hufen zu Staub. Bán sprang hastig zur Seite, um einem auskeilenden Huf auszuweichen. Über das laute Johlen der Zuschauer hinweg rief er: »Sie werden diesem Kampf kein Ende setzen. Der Magistrat selbst hat zweitausend Denarii auf deinen Tod gewettet. Kannst du nach Kavalleristenart absitzen?«
»Ja.« Das Wort verlor sich in einer aufspritzenden Sandfontäne, als sich das Fohlen mit einem Ruck herumwarf und abermals heftig bockte.
»Gut. Ich werde deinem Pferd Sand ins Gesicht werfen. Es wird sofort aufhören, wenn es davon getroffen wird, und dann zurückzucken, so wie vor einem Wüstensturm. Tu es in genau dem Moment!«
Es war ein Trick, den Fuchs ihm beigebracht hatte, um den großen kastanienbraunen Zuchthengst mit dem unberechenbaren, übellaunigen Wesen zu bändigen. Damals hatte Bán danach allerdings nicht aufsitzen, sondern nur eine Halfterleine zu fassen kriegen müssen. Er betete und spürte, dass die Götter auf seiner Seite waren, wusste, dass er nicht scheitern konnte. Schlimmstenfalls würde das Fohlen ihn töten; bestenfalls würde er selbst töten. Er musste jedoch noch entscheiden, ob er dazu bereit wäre. Auch das Tier verdiente es, von seinem Sklavendasein befreit zu werden.
Er bückte sich und packte eine Hand voll Sand. Das Hengstfohlen bäumte sich abermals schrill wiehernd auf. Mehrere Herzschläge verstrichen, während es hoch aufgerichtet auf der Hinterhand balancierte. Als es sich wieder herabfallen ließ, bewegte sich Bán um das Tier herum zu seiner Schulter, und als die Vorderhufe auf den Boden trommelten, warf er den Sand.
Plötzlich passierte alles gleichzeitig. Die Zuschauer sprangen von ihren Plätzen auf, denn sie spürten, dass der Höhepunkt des Kampfes gekommen war. Das Hengstfohlen, das einem Instinkt von Tausenden von Generationen folgte, hielt abrupt inne und wirbelte dann herum, fort von einem Sandsturm, der gar nicht existierte. Der Bataver vollführte eine perfekte Absitz-Übung nach Art der Kavalleristen. Alles, was er dazu brauchte, war ein Pferd, das für einen Moment mit allen vier Hufen auf dem Boden blieb. Er richtete sich in Sekundenbruchteilen in den Steigbügeln auf, warf sich mit Schwung aus dem Sattel, zog dann eine Schulter ein und rollte auf dem Sandboden aus, um sofort wieder auf die Füße zu kommen. Diejenige Hälfte der Zuschauer, die Wetten darauf abgeschlossen hatten, dass er den Kampf überleben würde, brach in ohrenbetäubende Jubelrufe aus. Der Rest buhte laut. Der Magistrat gab seinen Dienern ein Zeichen, woraufhin die Männer in die Arena zu laufen begannen. Das Hengstfohlen, endlich von seiner Last befreit, sah sich nach einem Ausgang um und fand eine freie Gasse, in der niemand außer einem mageren Jungen stand. Den Geruch der Freiheit witternd, sprang es aus dem Stand in einen gestreckten Galopp und stürmte los. Beim zweiten
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