Die Herrin der Kelten
rannte mit langen, geschmeidigen Schritten. Eisengraue Wolken hingen tief am Himmel, außer im Süden, wo ein Strahl von Sonnenlicht sie gelb erleuchtete und den Weg zu den Göttern wies. Bán drückte seine Schenkel gegen den Bauch des Tieres, das Hengstfohlen reagierte prompt und schwenkte leicht nach rechts, um dem Pfad des Lichts zu folgen. Sie bewegten sich in einem solch atemberaubenden Tempo, wie Bán es noch nie zuvor erlebt hatte, außer in seinen Träumen. Kleine Büsche und einzelne Bäume peitschten im Wind an ihnen vorbei. Hinter ihnen schmetterte ein Horn ein Legionskommando. Sechs unterschiedlich hohe Töne zerschnitten die Luft in einer Sprache, die Bán nicht kannte. Der Befehl wurde wiederholt und gleich darauf mit markerschütternder Lautstärke vom Lager zu seiner Rechten beantwortet. Er trieb das Hengstohlen nach links, fort von dem Lärm.
Eine kleine Mauer mit einem Graben dahinter türmte sich vor ihnen auf. Sie sprangen darüber hinweg, landeten glatt auf der anderen Seite und stellten dann fest, dass das von der Arena aus gesehene flache Land eine Illusion gewesen war. Vor ihnen fiel der Boden sanft zu einem schmalen, gemächlich dahinplätschernden Bach ab, der auf beiden Seiten von graugrünem Waldland umgeben war. Sie sprengten den Abhang hinab und weiter über Grasboden, der nach Salbei und wilder Minze duftete. Bán hörte die lauten, hektischen Rufe der Männer und ein weiteres Hornsignal und wusste, dass seine Verfolger ihn aus den Augen verloren hatten. Er schnitt eine Grimasse und spornte das Fohlen mit aufmunternden Zurufen an. Zwei Ohren zuckten vor und zurück, das eine schwarz, das andere weiß gefleckt, und er hatte den Eindruck, dass das Tier seine Stimme bereits kannte.
Mit einem eleganten Sprung setzten sie über den Bach. Bán betete laut zu Nemain von den Gewässern und zu Airmid, die nach der Göttin benannt worden und jetzt tot war. Das Gelände jenseits des Bachs war flach und sandig, und das Fohlen wirbelte beim Laufen dicke Staubwolken auf. Auf ihrer Rechten ließen Weiden und Haselnussbäume ihre Blätter ins Wasser hängen. Beide waren die Bäume der Götter. Das Fohlen verlangsamte sein Tempo, nicht sicher, in welche Richtung es laufen sollte. Bán beugte sich weit über den Hals des Tieres und zog an der Halfterleine. Er schnalzte mit der Zunge, so wie er es immer getan hatte, wenn er Fohlen von den Koppeln in den Stall geführt hatte. Das Hengstfohlen senkte den Kopf und folgte dem Zug der Leine nach rechts. Am jenseitigen Ufer erklommen die Ersten der Verfolger den Abhang und entdeckten Bán und das Fohlen. Bán befreite seine Schenkel aus dem Klammergriff des Sattels, glitt zu Boden und zog das Hengstfohlen an der Halterleine hinter sich her, bis er und das Tier mit dem Rücken zu einer Gruppe von Haselbüschen standen. Das Fohlen drängte sich an die Schulter des Jungen und benutzte ihn als Kratzpfosten, um sich vom Jucken des Zaumzeugs zu befreien, dann senkte es den Kopf, um zu grasen. Bán schlang ihm einen Arm um den Hals. Mit seiner freien Hand drückte er das gestohlene Messer, so scharf wie ein Messer zum Abbalgen, gegen das schwarz-weiße Muster seines Fells. Er presste seine Handfläche in die Halsfurche, bis er den sprunghaften Rhythmus eines Pulses fühlte und wusste, wo er seinen tödlichen Schnitt ansetzen musste. In den Weiden am Bach schrie eine Amsel eine Warnung, so wie sie es zu Hause, in der Heimat, getan hätte. Er hörte sie, und sein Herz füllte sich mit Todessehnsucht, aber er weinte nicht.
Die Verfolger waren jetzt ganz nahe. Das Donnern der Pferdehufe übertönte jedes andere Geräusch. Die Amsel flüchtete. Der Erste der Reiter war der römische Kavallerieoffizier, den Bán in der Arena gesehen hatte. Er war scharf geritten, um sich an die Spitze des Trupps zu setzen. Sein Reitpferd wieherte laut, als er über den Bach hinwegsprang, und das Hengstfohlen hob den Kopf und antwortete. Bán griff unter den langen, elegant geschwungenen Hals des Tieres und veränderte seinen Griff um das Messer. Er hielt den Atem an, während er auf das Zeichen der Götter wartete. Der Römer richtete sich hoch in den Steigbügeln auf, hob den Arm und rief auf Lateinisch: »Jetzt!«
Diesmal war Bán stärker als damals, als Amminios ihn überwältigt hatte. Die Männer, die hinter seinem Rücken aus dem Wald herausstürmten, mussten zweimal hart zuschlagen, bevor er ohnmächtig zu Boden stürzte.
Er erwachte vom Schmettern einer Legionstrompete,
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