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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Schritt streifte es mit seiner Schulter den Jungen. Bán klemmte sich sein gestohlenes Messer zwischen die Zähne, griff mit beiden Händen nach den gekrümmten Sattelknäufen, rannte drei Schritte neben dem Fohlen her, stieß sich geschickt ab und schwang sich auf den Rücken des Tieres.
    Das Hengstfohlen hielt nicht an. Der Junge auf seinem Rücken war sehr viel leichter, als der Mann es gewesen war, und er zerrte weder mit brutaler Gewalt an den Zügeln, noch versuchte er, den rasanten Ausbruch in die Freiheit zu verhindern. Ganz im Gegenteil: Bán beugte sich weit vor, mit dem Messer in der Hand, schnitt den Stirnriemen am Zaumzeug des Tieres durch und zog die Ohrschlaufen herunter. Das Pferd spuckte die scharfkantige Trense auf den Arenaboden. Das Halfter hatte ein einziges Seil, das zusammengerollt und unter den Kinnbacken des Pferdes verknotet war. Es bot einen Halt für die Hände, weiter nichts. Bán ließ es an Ort und Stelle und hielt sich stattdessen an der Mähne fest, während er sich weit über den Hals des Fohlens lehnte und ihm ermutigende Worte zurief. Sie flogen nur so dahin und erreichten bald die Tore der Arena.
    Draußen warteten bereits Männer aus den Phalanxen der Dreiund Vierjährigen auf sie. Unter ihnen befand sich auch Milo, der sowohl das Hengstfohlen als auch den Jungen kannte und bereits vorausgeahnt hatte, was passieren würde. Achtzig berittene Männer standen in einem weiten Halbkreis auf dem regenfeuchten Grasboden des Sammelplatzes verteilt, um die Fliehenden abzufangen. Das Hengstfohlen sah nur die Lücken zwischen seinen Artgenossen. Bán sah auch die Falle: ein straff gespanntes, in Halshöhe der Pferde gehaltenes Seil, zu hoch, um darüber hinwegzuspringen, und zu niedrig, um darunter hindurchzuschlüpfen. Er hatte keine Zügel und keine Möglichkeit, sein Pferd herumzuziehen, und er sah im Geist nur zu deutlich vor sich, was passieren würde, wenn er den Kreis der Männer zu durchbrechen versuchte: Das Fohlen würde sich das Genick brechen, und er selbst würde eines unendlichen, viel langsameren Todes am Kreuz sterben. Hastig blickte er nach beiden Seiten, auf der Suche nach einem möglichen Fluchtweg. Auf der Rechten, zwischen dem am weitesten entfernten Reiter und der Arenamauer, gab es so etwas wie eine Lücke. Er beugte sich vor und streckte die Hand nach dem Kopf des Fohlens aus.
    »Hai!«
    Er schlug mit der flachen Hand auf das linke Auge des Fohlens. Das Pferd sprang ruckartig nach rechts, sah die Lücke und brach sie gewaltsam auf. Sie stürmten im gestreckten Galopp davon. Vor ihnen breitete sich offenes Grasland aus. Das Lager der Legionssoldaten lag ein Stück weit voraus zur Rechten. Ein Eichenwald verdunkelte die nördliche Hälfte des Horizonts. Jenseits davon gab es nichts weiter als freies Gelände. Das Hengstfohlen streckte sich und beschleunigte sein Tempo.
    »Haltet sie auf!« Milo trieb sein eigenes Pferd zum Galopp an. Es war langsam und gutmütig und hatte keine Chance. Er wirbelte herum und hob seine Peitsche, um auf die Flüchtenden zu zeigen. »Die Freiheit oder sein Gewicht in Gold für den Mann, der sie lebend einfängt!«
    Er hätte kein besseres Angebot machen können. Einhundertundneunzehn berittene Männer, mehr als die Hälfte von ihnen bereits freigelassen, trieben ihre Pferde vorwärts. Einhundertundneunzehn für den Krieg abgerichtete Pferde stürmten los, mit Leib und Seele bei der Sache. Die Zuschauermassen, die darum kämpften, die Tore der Arena zu erreichen, hörten das Donnern der Hufe, als die Verfolgungsjagd begann. Wieder wurden Wetten abgeschlossen, auf das gescheckte Hengstfohlen oder die Jäger.
    Bán fühlte sich von den Göttern gesegnet. Er schwebte in jenem Zwischenraum zwischen Leben und Tod und wartete auf die Aufforderung der Götter, den Fluss zum Totenreich zu überqueren. Er bereute sein Versäumnis, Amminios getötet zu haben oder auch Milo, aber sonst bereute er nichts. In seiner Faust hielt er das gestohlene Messer, die Spitze auf sein Herz gerichtet, und er wusste, dass er es auch benutzen konnte, wenn der Zeitpunkt zum Sterben kam. Wenn die Götter es so wollten und wenn ihm noch Zeit genug dafür blieb, würde er zuerst das Götterpferd töten und die Hauptschlagader an seinem Hals aufschneiden, so wie es die Ahnen bei ihren Opferungen getan hatten, und dann würden sie beide gemeinsam über den Fluss in das Reich der Toten reiten. Er hatte nicht das Gefühl, dass es ein Sakrileg sein würde.
    Das Hengstfohlen

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