Die Herrin der Kelten
hinüber zu befördern.
Der Abend war kühl und windstill. Kleine Mücken tanzten in Wolken über der Mole - dunkle Flecken, die sich vor dem grauen Hintergrund des Himmels in dem noch dunkleren Wasser spiegelten. Breaca starrte durch die Mückenwolken hindurch auf die in Umhänge gehüllten Gestalten auf der Fähre. Sie gehörte zu einer zwölfköpfigen, von Venutios sorgsam ausgewählten Gruppe von Kriegerinnen und Kriegern, die als Empfangskomitee für Cerin und die beiden ungenannten Männer, die mit ihr reisten, fungieren sollte. Venutios selbst stand etwas abseits, während sich sein markantes Gesicht im Profil von dem Hintergrund des Wassers abhob. Er war kein großer Mann, jedenfalls nicht nach Eceni-Begriffen, aber er besaß eine solide Kraft, die ihn groß erscheinen ließ. Und er strahlte eine Ruhe aus, die sich an den meisten anderen Tagen auf sie alle übertragen hätte, doch heute verfehlte sie zumindest auf Breaca ihre Wirkung. Die alte Narbe in ihrer Handfläche juckte, wie sie es schon den ganzen Tag über getan hatte, und Breaca war so nervös und unruhig wie die graue Stute vor einem Rennen und hatte doch keine Ahnung, warum. Die anderen rechts und links von ihr standen ganz entspannt da, weil sie nicht mit Schwierigkeiten rechneten, und sie hatten auch keinen Grund, etwas anderes anzunehmen; denn ganz gleich, was nun, da Cunobelin tot war, im Osten passierte, diese Ereignisse stellten keine unmittelbare Bedrohung für Mona dar oder für diejenigen, die dort lebten und studierten.
Die Fähre wirbelte herum, von einer Strömung erfasst. Es war allgemein bekannt, dass die Götter die ihren beschützten, und Mona war das Eiland der Götter schlechthin. Wenn diejenigen auf der Fähre eine Gefahr für die Inselbewohner bedeutet hätten, wäre es ihnen nicht vergönnt, die Wasserstraße sicher zu überqueren, davon war Breaca überzeugt. Trotzdem konnte sie ihre unerklärliche Unruhe und Nervosität nicht abschütteln. Sie war gerade aus der Gruppe herausgetreten, um mit Venutios darüber zu sprechen, als der größere der beiden namenlosen Männer ganz nahe an den Bug der Fähre trat und ein matter Lichtstrahl sein Gesicht erkennen ließ.
»Gunovic!«
Das Boot war jetzt nur noch weniger als einen Speerwurf weit entfernt und schaukelte in der Strömung. Breaca rannte zum Ende der Mole, während ihre Freude über das unerwartete Wiedersehen von einer plötzlichen Woge blinder Panik verdrängt wurde, die nahe daran war, ihre zweijährige Ausbildung auf Mona in nichts aufzulösen. Sie beugte sich vor, um das Tau von der Fähre aufzufangen, wickelte es um einen Eichenpoller und holte es ein, während sie Gunovic angstvoll zurief: »Gunovic, geht es dir gut? Und Macha? Gibt es schlechte Nachrichten von den Eceni?« Und dann war er bei ihr, sprang mit der Gelenkigkeit eines jungen Mannes auf den Anleger und schloss sie ganz fest in seine Arme, und für einen Moment war sie wieder ein kleines Mädchen, das seinen Vater nach einjähriger Abwesenheit begrüßt, und die Welt war so schön, wie sie überhaupt nur sein konnte. Gunovic war zwar nicht ihr Vater, aber er hatte Macha während einer langen, einen ganzen Sommer währenden Krankheit gepflegt und deswegen seinen Handel aufgeben müssen. Er war auch den Winter und den Frühling danach noch bei ihr geblieben, und jetzt war er an Eburovics Stelle der Schmied der Eceni. Breaca konnte sich keinen besseren Nachfolger ihres Vaters vorstellen. Er grinste, und ihre Panik verebbte wieder, so dass nur noch die Freude und der quälende Juckreiz in ihrer Handfläche zurückblieben.
»Nur keine Sorge, es gibt keine schlechten Nachrichten von uns.« Er strich ihr sanft mit den Fingern durchs Haar, so wie er es oft getan hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. »Tatsächlich glaube ich sogar, dass ich eine gute Nachricht mitbringe, wenn die Ältesten sie bestätigen.«
»Wirklich?« Sie trat einen Schritt zurück und hielt ihn auf Armeslänge von sich weg, um ihn besser ansehen zu können. Die Abendsonne ließ seine Armreifen und die geschenkten Broschen an seinem Umhang funkeln. Nichts hatte sich an dem Mann verändert, abgesehen von dem Ausdruck des Friedens auf seinem Gesicht, der neu war. Die Hoffnung machte Breaca unbesonnen. »Gunovic - ist Macha etwa schwanger?«
»Nein. Nicht dass ich wüsste. Und vielleicht wird sie es auch nie mehr werden. Ich glaube, wenn sie noch einmal schwanger werden könnte, wäre sie es inzwischen.« Ein alter Schmerz zog die
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