Die Herrin der Kelten
Falten um seine Augen herum zusammen; er hatte in seiner Jugend seine Familie an Sklavenhändler verloren und sich danach geschworen, niemals wieder zu lieben. Wenn ihm nun, da er trotz allem doch wieder liebte und geliebt wurde, dennoch Kinder versagt bleiben sollten, wäre das die bitterste Ironie des Schicksals. Breaca drückte tröstend seinen Arm und wollte sich schon für ihre Frage entschuldigen, doch Gunovic schüttelte den Kopf und schenkte ihr ein halbes Lächeln. »Wenn ich eine derart erfreuliche Nachricht hätte, hätte ich sie dir schon von der anderen Seite der Meerenge aus zugerufen«, sagte er. »Aber sie ist trotzdem gut. Macha hat mich gebeten, die Nachfolge deiner Mutter anzutreten und Sängerin der Eceni zu werden. Ich bin gekommen, um Tallas Genehmigung einzuholen.«
Er grinste wie ein Junge, der seinen ersten Hasen zur Strecke gebracht hat. Breaca umarmte ihn stürmisch. Es war zwar keine wirkliche Neuigkeit; sie hatte sie bereits im Sommer gehört, eines der halben Gerüchte, die auf dem Rücken der Möwen nach Mona geweht wurden, aber das konnte Gunovic unmöglich wissen, und dieses Gerücht nun bestätigt zu hören, machte ihre Freude vollkommen. Es gab sonst niemanden, der so hervorragend dafür geeignet gewesen wäre, die Stelle ihrer Mutter einzunehmen. Sie zog Gunovic an sich und schmiegte ihre Wange an seine Schulter. »Talla wird es ganz bestimmt erlauben«, sagte sie. »Es wird wirklich höchste Zeit, dass wir endlich einen neuen Sänger bekommen.«
»Und einen neuen Zuchthengst für die Pferdeherde. Sieh her, ich habe ihn den ganzen weiten Weg hergebracht, damit du ihn begutachten kannst.«
Gunovic umfasste Breacas Schultern und drehte sie herum, um ihr das große kastanienbraune Pferd zu zeigen, das auf dem Anleger stand. Ein strohblonder Junge in dem schwarzen Umhang der Briganter ging hinter ihrem Rücken vorbei, sein eigenes Pferd am Zügel führend. Als er vorbeiging, ließ das Jucken in ihrer Handfläche schlagartig nach, und zurück blieben nur noch die seltsame Unruhe und das vage Vorgefühl, die ihr schon den ganzen Tag zu schaffen gemacht hatten. Der Fremde sprach mit Venutios, der ihn offensichtlich kannte und ihn freudig begrüßte. Nun, da die beiden nahe beieinander standen, war klar zu erkennen, dass eine gewisse Verwandtschaft zwischen ihnen bestand; sie zeigte sich in der Ähnlichkeit ihrer breiten, kantigen Gesichter und der grauen Augen. Nur die Haarfarbe war unterschiedlich; Venutios’ Haar war dunkel, mit grauen Strähnen an den Schläfen, wohingegen der andere blond war. Breaca beobachtete, wie der Krieger lächelte und dem Kurier eine Hand auf den Arm legte. Sie hatte bisher noch nie erlebt, dass Venutios sich bei der Wahl seiner Freunde und Vertrauten geirrt hätte.
»Wer ist er?«, fragte sie Gunovic.
»Seine Mutter hat ein Rennen gegen Sinochos’ Braunen mit den weißen Fesseln gewonnen, und sein Vater hat mindestens ein Dutzend erstklassiger Fohlen gezeugt und...«
»Nein, nicht der Hengst. Ich meine den Jungen. Der gerade mit Venutios spricht. Wer ist er?«
»Der Bursche? Er heißt Vellocatus. Er ist aus Venutios’ Volk und hat den Auftrag, eine vertrauliche Nachricht zu überbringen.«
Die Nachricht mochte zwar vertraulich sein, aber sie war offensichtlich nicht angenehm. Breaca sah, wie das warme Lächeln des Kriegers schlagartig verblasste, wie er plötzlich ganz still und unnatürlich steif dastand. Der strohblonde Kurier bestand auf seiner Forderung und schnitt mit der Handkante durch die Luft, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, dann brach er ab und hinterließ ein Schweigen, das nicht minder deutlich sprach. Die Kriegerinnen und Krieger des Begrüßungskomitees entfernten sich ein Stück und kehrten dem Paar den Rücken zu, um ihnen eine gewisse Privatsphäre zu lassen. Die taktvolle Geste blieb jedoch unbemerkt. Venutios blickte an ihnen allen vorbei und starrte geistesabwesend auf den vom Licht der untergehenden Sonne erhellten Horizont, als ob er ganz allein auf der Mole stünde. Er sah auf einmal älter aus und wirkte irgendwie niedergedrückt, ähnlich wie ein Mann, dem man einen unangemessen schweren Schild gegeben hat und der diesen Schild nun in einem Kampf tragen muss, den er nicht gewollt hat. Als Breaca die Veränderung an Venutios sah, wurde ihr plötzlich der Sinn eines Traums von Airmid klar, in dem ein Lachs flussaufwärts zu seinen Laichgründen geschwommen war und dabei eine Krähenfeder im Maul getragen
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