Die Herrin der Kelten
Hätte er mehr Zeit zum Nachdenken gehabt, hätte er vielleicht die richtigen Worte gefunden, um Corvus zu erklären, dass Eburovic ein Krieger gewesen war und mit einem Schwert in der Hand gestorben war, und Macha eine Träumerin, die an die Götter hatte appellieren können, ihr Leben teuer zu verkaufen, dass es sich aber mit Iccius - ebenso wie damals mit dem graubraunen Stutenfohlen - völlig anders verhielt. Es war seine, Báns, Aufgabe gewesen, auf Iccius aufzupassen, und er hatte dabei versagt.
Corvus sagte in Báns Schweigen hinein: »Was ist mit Efnís? Er war dein Freund; sein Volk würde dich doch sicherlich aufnehmen, wenn du nicht mehr bei deinem eigenen leben möchtest. Du hast so viel zu tun - du könntest deine langen Nächte in der Einsamkeit absitzen und deine Speer-Prüfung ablegen und Krieger werden, und dann, wenn die Ältesten damit einverstanden sind, könntest du Caradoc wegen seiner Blutschuld verfolgen.« Er gebrauchte die Eceni-Worte, aber sie kamen ihm nur ziemlich steif und unbeholfen über die Lippen. Trotzdem bemühte er sich nach besten Kräften.
»Ich bin zu alt, um jetzt noch meine langen Nächte abzusitzen. Das muss genau zur richtigen Zeit geschehen, sonst schicken einem die Götter keine Vision.«
»Dann leg deine Speer-Prüfung ab. Dann könntest du immer noch Krieger werden.«
»Ohne eine Vision ist ein Krieger nichts. Könntest du dir Eburovic ohne die Bärin vorstellen? Oder Breaca ohne den Schlangenspeer? Ich könnte vielleicht Jäger sein oder Schmied, so wie mein Vater, aber das wäre einfach nicht das Gleiche.«
Corvus runzelte nachdenklich die Stirn. Seine Hände waren ruhig, während sie eine Wahrheit spürten, die unausgesprochen zwischen Báns Worten mitschwang. Leise, damit keiner sie belauschen konnte, sagte er: »Ich werde dich nicht sterben lassen, Bán. Ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben einfach so wegwirfst. Dafür bist du viel zu viel wert.«
Darauf gab es nichts mehr zu sagen. Auch die Götter waren nicht gewillt, Bán sterben zu lassen. Zweimal innerhalb eines einzigen Tages hatte er die Chance dazu gesehen, und zweimal war sie ihm wieder genommen worden. Er dachte an ein Leben ohne Iccius und wusste beim besten Willen nicht, wie er die Leere ertragen sollte.
Corvus hielt seine Hände in hartnäckigem Schweigen umfasst. Der Mann war sein Freund, vielleicht der Einzige. Der Schmerz in Báns Innerem verblasste für einen kurzen Moment, um ihm eine Antwort einzugeben. »Mach mich zu einem Krieger des römischen Reiches«, sagte er.
»Was?«
»Du rekrutierst doch Männer für deinen Kavallerieflügel. Ich mag zwar niemals ein Krieger der Eceni sein, aber ich bin am Tag des Vollmonds vor der Tag- und Nachtgleiche des Herbstes fünfzehn Jahre alt geworden, und in den Augen der Gallier ist dieses Alter das Einzige, was man braucht, um ein Mann zu sein. Du rekrutierst Männer. Nimm mich! Wenn es heißt, dass ich eine Geisel war, dann lass mich in die Fußstapfen meiner Vorgänger treten, der gallischen Geiseln, die Cäsar gedient haben, und in die Armee des Kaisers eintreten.« Er fügte nicht hinzu: Und lass mich in den Krieg ziehen und kämpfen und so sterben, wie mein Vater und meine Schwester gestorben sind, mit einem Schwert in der Hand.
Corvus schwieg, während Bán mit klopfendem Herzen auf eine Antwort wartete. Irgendwo draußen schrie eine Eule, und ein Pferd wieherte zornig. Obwohl er erst so kurze Zeit mit dem Tier verbracht hatte, erkannte Bán bereits die Stimme des gescheckten Hengstfohlens. Spontan kam ihm ein Name in den Sinn, so wie es auch bei Hail gewesen war. »Er ist die Krähe«, sagte er. »Das gescheckte Fohlen heißt von jetzt ab Krähe.« Er sagte dies auf Eceni, während er den Rest in Gallisch gesagt hatte. Auf diese Weise ergab es mehr Sinn.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Corvus stand vor ihm und schüttelte den Kopf. »Leg dich jetzt schlafen. Du bist völlig übermüdet. Wir werden uns morgen früh weiter darüber unterhalten.«
»Du willst mich nicht Soldat werden lassen?«
»Ich werde dich nicht daran hindern, alles das zu tun, was deine Träume dir zu tun befehlen, aber du bist kein römischer Staatsbürger, du kannst nicht in eine Legion eintreten, und ich kann dich auch nicht direkt in die Kavallerie einberufen, das steht nicht in meiner Macht. Um das zu tun, was du sagst, würdest du erst einmal eine viermonatige Probezeit durchmachen müssen, und das ist etwas, was man nicht auf die leichte
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