Die Herrin der Kelten
war tief und volltönend und erreichte mühelos sämtliche Zuhörer in der Halle.
»Kriegerinnen und Krieger von Mona. Unter den zweitausend werden dreißig ausgewählt werden, die die Prüfungen absolvieren. Von diesen dreißig wird dann am Ende eine oder einer Venutios’ Nachfolge antreten. Der erste Teil dieses Auswahlverfahrens liegt einzig und allein in der Hand der Götter. Bei den Prüfungen, die danach kommen, ist es an euch, euch vor den Göttern zu beweisen. Diese Prüfungen dauern einen Tag und eine Nacht, und sie werden eine härtere Probe sein als jede, die ihr bisher erlebt habt. Sie sind gefährlich. Jedes Mal, wenn ein neuer ranghöchster Krieger ausgewählt wurde, sind einige bei diesen Prüfungen ums Leben gekommen. Ihr seid nicht verpflichtet, am ersten Auswahlverfahren teilzunehmen, aber wenn ihr mitmacht und unter den dreißig seid, seid ihr verpflichtet, weiterzumachen und die Prüfungen abzulegen. Diejenigen von euch, die lieber nicht daran teilnehmen möchten, können jetzt gehen.«
Er blickte hinaus in die Stille. Zweitausend Kriegerinnen und Krieger erwiderten seinen Blick. Keiner von ihnen rührte sich.
»Gut.« Er griff hinunter und zog die Lederhülle von dem Gefäß zu seinen Füßen. Der Schädel eines Bullen leuchtete weiß im Licht des Feuers. Zwischen seinen Hörnern stand ein bauchiger Kupferkessel, dessen Öffnung mit einem schwarzen Pferdefell versiegelt war, so straff über den Rand gespannt wie das Fell auf einer Trommel. Auf Marocs Zeichen hin trat Venutios vor und stach mit seinem Messer in die Mitte des Fells, um einen einzelnen, fünf Finger breiten Einschnitt zu machen. Die Klinge blitzte flüchtig im Licht auf, als er sie wieder herauszog. Breaca zuckte unwillkürlich zusammen und spürte, wie sich die Bewegung auf die anderen um sie herum übertrug.
Maroc sagte: »Dieser Kessel enthält einen Kieselstein für jedes Mitglied der Kriegerschule. Alle sind weiß, bis auf dreißig, die schwarz sind. Venutios wird eure Namen in der Reihenfolge eures Rangs aufrufen. Wenn ihr euren eigenen Namen hört, tretet ihr bis an die Markierung heran, greift über die Feuergrube hinweg und nehmt einen Stein aus dem Gefäß. Wenn euer Stein schwarz ist, seid ihr einer von den dreißig und müsst hier in der Halle bleiben. Wenn er weiß ist, steht es euch frei zu gehen.«
Die Vorbereitungen nahmen nur wenige Augenblicke in Anspruch. Der Bullenschädel wurde bis ganz an den Rand der Feuergrube geschoben. Eine lange, schmale Schieferplatte bildete bereits eine Markierung auf der Kriegerseite des Feuers. Auf der Träumerseite stellte sich Maroc auf die eine Seite des Kessels, Venutios auf die andere. Der Krieger sagte den ersten Namen in gedämpftem Ton, so als ob er und der Aufgerufene ganz allein miteinander wären und über ein Lagerfeuer hinweg Neuigkeiten austauschten.
»Ardacos von den Kaledoniern.«
Ein kleiner, drahtiger Mann mit der dunklen Gesichtsfarbe und den hohen Wangenknochen der Ahnen trat ans Feuer. Ardacos war schon seit einem Jahrzehnt auf Mona, am längsten von allen denjenigen, die die Kriegerschule besuchten. Er würde zur Zeit der Tages- und Nachtgleiche im Frühjahr wieder zu seinem Volk zurückkehren, es sei denn, er hatte Grund, noch länger auf Mona zu bleiben. Er war ganz zweifellos mit Abstand der Beste unter seinesgleichen, was die Geschicklichkeit im Umgang mit einem Speer im Kampf oder bei der Jagd betraf. In den Augenblicken vor Beginn der Versammlung, als sich die Gerüchte mit der Geschwindigkeit eines Sturms verbreitet hatten und das Wettfieber sogar noch schneller, hatte über die Hälfte der Anwesenden darauf gewettet, dass Ardacos Venutios’ Stelle als ranghöchster Krieger einnehmen würde. Breaca hatte zwar nicht mitgewettet, aber Ardacos wäre ihre zweite Wahl gewesen. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass die Götter wünschen würden, dass er an ihren Prüfungen teilnahm.
Ardacos stand vor der Schieferplatte und beugte sich über das Feuer. Die Flammen züngelten rot an seinem Arm entlang. Er berührte mit einem Finger seine Stirn, um Briga seine Ehrerbietung zu bezeigen, und schob seine andere Hand durch den Schlitz in dem Pferdefell. Als er sie wieder herauszog und seine Faust öffnete, war der Kieselstein, der auf seiner Handfläche lag, schwarz.
Marocs Stimme schallte über ihre Köpfe hinweg. »Ardacos von den Kaledoniern ist der Erste von den dreißig.«
Venutios rief bereits den zweiten Namen auf.
Sie wiederholten den Vorgang mit
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